Pasternak, Boris
Russischer Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger (1890-1960). Sammlung von 7 eigenh. Briefe mit Unterschrift. Peredelkino. 15 S. folio und gr.-4to. Deutsch und Russisch. Minimale Faltenrisse. Mit den Umschlägen (Briefmarken ausgeschnitten).
35.000 €
(74624)
Inhaltsreiche Korrespondenz an Rolf Dietrich Keil in Hamburg, den Übersetzer seines Gedichtbandes „Wenn es aufklart“ (Frankfurt a. M.: S. Fischer, 1960). Pasternak legt Keil detailliert seine Auffassung dar, wie Lyrik übersetzt werden solle.
12.V.1959, mit Glückwünschen zu dem „glänzenden Diederichs-Büchlein“. „[…] Ein Rilkeverehrer, konnte ich nie seine Michelangeloübersetzungen ebenso wie St. George’s Sh[akespeare]sonette leiden. Es ist zu verwundern und unerklärlich, wie derselbe Mensch, dessen Sieg und Kraft in der Unmerklichkeit und Durchsichtigkeit der Mittel bestand, in der anspruchslosen Natürlichkeit der unstilisierten Sprache, so viel schwerfällige Künstlichkeit bei seinen Wiedergaben anwendete, dass die Anhäufung des Formellen von dem erstickten Inhalte ablenkt und den Sinn, die Bedeutung des Gesagten aus dem Gedichte beinahe verdrängt.
Hingegen erfordern Uebersetzungen […] eine unbedingte Leichtigkeit und Klarheit […] Denn Uebersetzungen sind Kraftleiter, und nicht Energiequellen […]“
14.IX.1959, mit einer „Bitte an die Fischers“. „[…] Unter meinen vielen Korrespondentinnen in Deutschland gibt es auch manche in Dörfern und in der tieftiefsten deutschen Provinz. Eine von ihnen zeichnet sich besonders durch ihre Bescheidenheit und Herzensreinheit aus. Es kann leicht sein dass ich Ihr im Winter ein Schiwagoexemplar vom Verlag ver- sprach und davon vergessen hatte und darüber nach Frankfurt nicht schrieb. Uebermitteln Sie dem lieben Ehepaar meine aufrichtig ergebenen Grüsse und bitten Sie Herrn Dr. Ihr Werk (die Uebersetzungen des ‘wenn es sich klärt’) beim Erscheinen (es wird ein Literaturereignis sein) […] der: Erika Naujokat […] gratis versenden zu wollen, und, wenn es nicht zu lästig ist, diese Erika zu befragen, ob sie ihren eigenen Schiwago hätte […]“
21.II.1960, wegen der Übersetzung eines Werkes über Chopin. „[…] den Sinn der Dichtung überhaupt, aller grossen Dichtung zu verstehen und selbst Dichter zu sein, unterscheiden zu können, was belebend wichtig, was unbedeutend nebensächlich ist in den Werken der Poesie, die doch keine feste Notarialakten sind sondern so zu sagen zuerst noch entstehende, sich bewegende Schaffenserscheinungen. Wie hat man mich immer geärgert, wieviel böses Blut mir gemacht bei meinen Shakesp[eare] und Goethearbeiten mit dieser Forderung der dummen tötenden Buchstäblichkeit, mit dem Verlangen, die Etuden zu wahren nicht bemerkend, dass mit dem Worte Wunderwesen und dem Reime Polonaisen der Nerv der lebendigen Genauigkeit viel eher getroffen wird, als mittels eines vierzeiligen unbeholfenen und nichts- sagenden Hinkens, um der, für einen fremden Versbau schwierigen ,Etüden’ halber!
Was soll ich Ihnen sagen? Der Ihnen vorausbestimmte grosse Erfolg ist eine Gefahr für mich. Ueber den Glanz, den Schimmer, die Wärme, die Musik, das Noble, Edle, das Unaufhaltsame Ihres Buches wird man mich vergessen, denn das alles ist doch Ihr Verdienst […]“
Gedruckt in: Raissa Orlowa, Lew Kopelew: „Boris Pasternak“, Stuttgart 1986.
Beiliegend 3 e.Br.m.U. von Pasternaks Schwestern Josefine (2; Oxford 1960) und Lydia (o.O. 1965) sowie 1 e. adressierter Briefumschlag von Lew Kopelew (Moskau 1965), alle an denselben Adressaten..