Joseph Wirth

Wirth, Joseph

Reichskanzler der Weimarer Republik (1879–1956). Unterschriftsausschnitt. o. O. u. D. 50 : 20 mm.
$ 128 / 120 € (73355)

Joseph Wirth (1879–1956), Reichskanzler. 2 ms. Briefe mit e. U. Kurhaus Tarasp (Engadin) und Berlin, 1926. Zusammen (2+1¼=) 3¼ SS. auf 2 Bll. Gr.-4°. – An den Schriftsteller Emil Ludwig (1881-1948), den er als Mitstreiter zu gewinnen sucht: „[...] Sie interessieren sich zu meiner Genugtuung für die von mir begonnene Arbeit. Sie wird eine sehr sauere sein, wie überhaupt das politische Leben der letzten acht Jahre für mich sehr bitter gewesen ist. Ich habe aber den Mut, für die deutsche Republik zu kämpfen und zu ringen und ihn nicht sinken zu lassen.

Nur wird es jetzt Zeit, dass ich Mitarbeiter und Mitstreiter finde, um die deutschen Republikaner zu dem zusammenzuführen, was not tut. Insbesondere beschäftigt mich der Gedanke, den deutschen Staat dem deutschen Proletariat nahezubringen und wieder Brücken zu denen zu bauen, die in den letzten zwei Jahren erneut dem Radikalismus verfallen sind. Ich sehe ganz deutlich, dass, wenn sich nicht einige hundert Intellektuelle aus den bürgerlichen Parteien finden, die sich rücksichtslos dafür einsetzen und gegen einen Bürgerblock gehen, die deutsche Sozialdemokratie in den nächsten zwei Jahren wieder revolutionär wird. Das hielte ich für ein Unglück; ich will alles tun, was in meinen Kräften steht, um dieses Unglück zu verhüten. Ich plane also ein Manifest und will eine Führergruppe im Sinne einer republikanischen Gemeinschaft schaffen [...] Ich hoffe, die republikanische Gemeinschaft um eine Zeitschrift sammeln zu können und gerade für diese Zeitschrift möchte ich Ihr Manifest haben. Sie sehen, dass ich ganz offen spreche. Ich muss aber leider noch etwas ‚rücksichtsloser’ werden. Ich brauche für das Unternehmen selbstverständlich auch Geld [...]“ (a. d. Br. v. 31. Juli 1926; mit kleinen e. Korrekturen). – Joseph Wirth war 1921 als Nachfolger Konstantin Fehrenbachs Reichskanzler einer Minderheitenkoalition und später auch Außenminister geworden. Er galt als ein „entschiedener Vertreter der sog. ‚Erfüllungspolitik’ gegenüber den Versailler Siegermächten. In seine Amtszeit fielen die Abtrennung Oberschlesiens, die Annahme des Londoner Ultimatums und der Abschluß des Rapallo-Vertrags. Nach der Ermordung Walther Rathenaus erließ er das Republikschutzgesetz, trat im November 1922 zurück und wirkte als Führer des linken Zentrumsflügels. Im zweiten Kabinett Hermann Müller übernahm er 1929 das Reichsministerium für die besetzten Gebiete, im ersten Kabinett Brüning das Innenministerium“ (DBE). Von 1933 bis 1948 im schweizerischen Exil lebend, „wo er sich nach anfänglicher Zurückhaltung seit 1942 in der Arbeitsgemeinschaft ‚Das Demokratische Deutschland’ mit der Nachkriegsgestaltung befaßte“ (ebd.), beteiligte sich Wirth nach seiner Rückkehr nach Deutschland an der Gründung der „Union der Mitte“ und 1953 am „Bund der Deutschen für Einheit, Frieden und Freiheit“, der gegen die von Konrad Adenauer betriebene Westintegration eine Verständigung mit der Sowjetunion unter Neutralisierung Gesamtdeutschlands anstrebte. – Beide Bll. etwas unfrisch, mit kleineren Randläsuren und einrissen und im linken Rand gelocht (keine Textberührung); ein Brief auf Briefpapier mit gedr. Briefkopf der Abgeordneten zum Reichstag..

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