Indessen meines Erachtens haben Sie doch auch Ihr Schiff zu voll beladen, indem Sie einen Akt an den Alemannenkrieg, einen zweiten an Paris gewendet haben. So bleibt Ihnen für den eigentlichen Inhalt der Tragödie: Kampf zwischen Heidentum und Christentum, so wenig Breite und Tiefe. Die Handlungen und die Gestalten [...] heiter einander her, alle mehr flizziert als ausgeführt. Besonders die Überfälle an so behandelten Gestalten ist mir aufgefallen; sie wäre nach meiner Erfahrung eine große Gefahr auf der Bühne. Eine Gefahr auch die kühne Romantik, mit der Sie die Ronhild umwoben haben; eine poetisch neugefundene, aber vom ersten Anfang an auf die Spitze gestelte- verzeihen Sie das Wort- Romanfigur. Doch vor allem bleibt die Frage: ist Julian wirklich ein Bühnenstoff? Der Kampf zwischen Heidentum und Christentum wird nicht ausgetragen; Julian, als Kaiser, erscheint und verschwindet. Er fällt nicht durch die Christen oder das Christentum, sondern in einer Perserschlacht. Wenn er als Sieger heimkam, wie es dann weitergegangen wäre, weiß kein Mensch zu sagen. [...] Sie würden mich herzlich erfreuen, wenn Sie mir auch Ihr ,Der Göttin Eigentum’ schicken wollten. [...]“
Adolf von Wilbrandt (1837-1911), Schriftsteller. E. Brief m. U., Wien, 3. März 1887, drei Seiten gr.-8°. Doppelblatt. Mit blindgeprägter Krone des „k. k. Hofburgtheater | Direction“. An die Hofschauspielerin Charlotte Wolter wegen Auftritte zur Zeit ihres Urlaubs: „[…] wir haben uns also, mit Zustimmung der General-Intendanz dahin geeinigt, daß Sie während der ersten Wochen Ihres diesjährigen Urlaubs, nämlich vom 16. März bis zum 2. April (einschließlich), dem Burgtheater für fünf von der Direction angesetzten Vorstellungen zur Verfügung stehen und für jeden dieser Abende ein Spielhonorar von dreihundert Gulden, also zusammen fünfzehnhundert Gulden erhalten; wobei, falls durch Absage von Ihrer Seite eine dieser fünf Vorstellungen entfallen sollte, auch das betreffende Honorar entfallen würde […]“ – Geboren in Rostock, lebte Wilbrandt als freier Schriftsteller in Berlin, Frankfurt a.M., Rom und München, ehe er 1871 nach Wien kam. Von 1881-87 war Wilbrandt, der zu den ‚meistgespielten Autoren der Zeit’ (DBE) gehörte, als Direktor des Wiener Hofburgtheaters maßgeblich an der Wiederentdeckung griechischer Dramen für das deutschsprachige Theater beteiligt..