Wer heute durch solch ein Operntheater zum deutschen Herzen zuzurufen hat, der hat sich auf andere Echo’s gefasst zu machen, als es mir diesmal aus dem Ihrigen widerhallte. Mit den ,Meistersingern’ ist mir es nun wohl zum letzten Mal begegnet, dass ich so als applaussuchender, und demnach auch auszupfeifender Operncomponist behandelt werden konnte. Mit keiner meiner Arbeiten gedenke ich auf diesem Wege wieder die Oeffentlichkeit zu suchen. Somit haben Sie Dank dafür, dass ich diesmal noch etwas Schönes durch Sie antreffen konnte“.
2. 6. V. 1870: „[…] Ich möchte Sie gern recht nahe kennen lernen. Nun müssen Sie aber wissen: ich werde in diesem Monat 57 Jahre alt. Die Erfahrungen, welche ich an Ihnen machte, gehören der dritten Generation an, an welcher ich Erfahrungen mache. Die zweite Generation meiner Erfahrungen ist bereits ganz von mir aufgegeben […]“
3. 3. VI. 1870: „[…] Da ,Sie namentlich zu meinem Geburtstag mich reich beschenkt haben, trage ich mich mit dem Gedanken, wie ich Ihre sinnige Begegnung überhaupt erspriesslich erwidern könnte. Ich komme darauf zurück, dass Sie mich besuchen sollten. Welche sind nun die Schwierigkeiten, die sich der Ausführung des - wie es scheint - beiderseitigen Wunsches entgegenstellen? Sind sie rein materieller Art, so dürften sie am besten zu besiegen sein, denn hier käme es auf ein unumwundenes, einfaches Wort an. Sie können sich von mir hierin leicht helfen lassen, wenn Sie sich für eine Expedition nach Luzern ,meiner als Intendanten bedienen wollen.’ […] P.S. Lassen Sie doch den ,ewigen Juden’ fahren! Der ist ein widerwärtiges Wesen, und führt gewiss unvermeidlich in das Allegorische. Die geschichtliche Gestalt darf uns nur dadurch reizen, dass sie fest und körnig plastische Individualität ist. Durch eine solche - wie durch ein Fernglas - auf die Welt blicken, statt durch den Sturm der Natur auf das menschliche Herz (wie beim Mythus), muss uns das geschichtliche Dichterwerk geben: aber das geht mit solch einem mythischen Juden nicht. Ausserdem - diese Juden haben uns das Christenthum von vorn herein ruinirt; sie ruiniren uns jetzt wieder unsre deutsche Litteratur, Musik u. sonstige Kunst. Geben wir diesem Unrath so wenig wie mögliche Bedeutung - Nein! Ich bitte Sie: nichts davon, weder von zeitlichen noch ewigen Juden. Es gibt anderes!“
4. 21.VII. […] Ich bin jetzt auf dem Punkt vor der musikalischen Ausarbeitung des I Aktes meiner ,Götterdämmerung’ ein wenig auszuruhen. In dieser Mussezeit beabsichtige ich etwas Eingehenderes über ,Beethoven und die deutsche Nation’ auszuarbeiten. Die kriegerische Catastrophe schien mir zunächst die Ausführung dieser Absicht unmöglich zu machen: doch kehrt mir die Besinnung wieder, und ich glaube ein gutes Zeugnis für meinen Glauben an die Bestimmung der Deutschen abzulegen, wenn ich gerade jetzt meine Abhandlung ausarbeite. Wann die Zeit ihrem Erscheinen günstig sein wird, mag Gott wissen! Die Franzosen prahlen mit einem ,kurzen’ Krieg; Besonnenere meinen, ein längerer Krieg sei einfach durch den Finanzstand der Staaten unmöglich gemacht. Ich muss dagegen annehmen, dass wenn der Krieg kurz abgemacht wird, er nicht viel taugen kann. Wer hat es deutlicher im Gefühl als ich, dass nur eine furchtbare Anstrengung die Deutschen nicht nur aus dieser augenblicklichen Bedrohung, sondern überhaupt für ihre Bestimmung retten könnte? Auch meine Kunst wäre in den Sand geschrieben, wenn jene schrecklich-erquickliche Annahme nicht in Erfüllung ginge […]“
5. 21.IX.1870: „[…] Ich habe eine Bitte an Sie. Möchten Sie wohl die Güte haben, den Buchhändler Herrn Stilke (Stilke & van Muyden) 96. Friedrichstrasse, aufzusuchen, um ihm in meinem Namen eine grössere Broschüre von mir ,Beethoven’ zum Verlag anzubieten. Bei meinem längeren Entfernthalten von allem Verkehr mit Deutschland bedaure ich besonders, keine Gelegenheit zu haben einmal mit einem ordentlichen Verleger in Verbindung zu treten. J. J. Weber ist mir schon der compromittirenden Gesellschaft wegen, in welcher ich bei ihm mich befinde, unerträglich geworden; dazu sind meine Schriften im Verlage von Leipziger Musikhändlern (welche mir sonst zu Gebote stehen,) auch stets falsch untergebracht, so dass ich mich nach einem wirklich tüchtigen Buchhändler sehne, von welchem ich andernseits voraussetzen dürfte, dass er die Bedeutung meiner Kunstschriften begreift und ihre Zukunft, für welche ich durch eine Gesammtausgabe sorgen möchte, erkennt. Im Gespräch mit meiner Frau wurde mir nun seit länger schon Herr Stilke […] genannt […] Die Arbeit wird im Druck mindestens den Umfang von ,Deutsche Kunst deutsche Politik’ einnehmen; in einem kleinen Vorwort bezeichne ich sie al eine ideale Festrede von einem idealen Auditorium, zugleich aber als einen Beitrag zur Philosophie der Musik. Mein Wunsch wäre dass mit dem Druck sogleich begonnen würde, damit die Schrift um die Zeit der zu erhoffenden Beruhigung der öffentlichen Verhältnisse, also am Vorabend der 100jährigen Geburtstagsfeier Beethovens zur Ausgabe fertig werde […]“
6. 5.X.1870: […] Mein ,Beethoven’ wird Ihnen das deutlich machen, und Ihnen besonders als Dramatiker wird hier vermuthlich manches Stoff zum Nachdenken geben. Was sich nun aus dem Chaos unsrer ,öffentlichen’ Kunstmeinung für meinen höheren Lebenszweck Taugliches herauszustellen wird, hat nun bald Gelegenheit sich zu zeigen. Ich denke an die Aufführung meines Nibelungenwerkes, für welche ich nun nächstens Sorge zu tragen habe. Mein Plan steht fest: ich habe dazu mächtiger Mithülfe nöthig. Was nun aus der Neuerweckung des deutschen Wesens durch unsre Siege in Günstiges ergeben kann, das wollen wir sehen. Schlimm ist es, dass hier so Vieles auf eine gewisse Spanne von Zeit berechnet ist, nämlich, für die Dauer meines Lebens: ich muss glauben, dass Viel verloren gehen würde, wenn es damit über mein Leben hinausginge. Vermuthlich werde ich erst im neuen Jahre mich in Berlin einfinden: denn was ich etwa dort vorhaben könnte, würde erst nach einiger Beruhigung der politischen Aufregung verständig vernommen werden können. - Mit dem Theater werde ich dort allerdings nicht das mindeste zu thun haben, und es sehr gewiss mit keinem Fusse betreten. Ihre Leiden während meiner Meistersingeraufführungen sind mir eben so ehrwürdig als verständlich. Kennen Sie zufällig den Schreiber der hier beiliegenden Zeilen? […]“
7. 31.X.1870: „[…] Schnell ein paar Zeilen auch an Sie! - Ihre letzte Bemerkung über die Musik als Gesetz der Schwere, und den dagegen ausserhalb desselben sich aufrechterhalten wollenden Dichter, war sehr tief. Sie werden in meinem ,Beethoven’ manches Weitere hiervon finden. […] Vielleicht tritt aber der ,Beethoven’ schon einiger Maassen für diese Berathungen ein. Sie werden da sehen, dass Shakespeare von mir durchaus nicht unter die Dichter gezählt wird: nach unsrem Schema von Poesie ist auch Aechylos u. Aristophanes nicht unter die Dichter zu rechnen; genau genommen tritt das, was wir jetzt Dichter nennen; erst mit Platon in die Erfahrung der Geschichte. Wer waren nun jene? Doch, nicht weiter auf diesem Wege der Mittheilung! […] Den Deutschen wünsche ich nun übrigens alles Gute, da sie so ziemlich alles Schlechte haben. Vorläufig freue ich mich nun erst noch an Bismarck, Moltke und die tüchtigen Soldaten […]“
8. 9.XI.1870: „[…] Also, Zusammenfassung meiner Bitte: Empfehlung einer Wurstadresse, wo ich jene dicke, feste Cervelatwurst nebst Trüffel-Leberwurst nach Belieben erhalten kann. […] Alles Geringfügigere, wie Dichtereit u. Drammatik, Juden u. Deutsche u.s.w. wollen wir heute übergehen. Ich denke, Sie erhalten bald Gelegenheit, über Verschiedenes der Art sich mir wieder zu äussern. Im Hauptsächlichsten aber bleiben wir dabei: ,grau ist alle Theorie’ u.s.w. - Ich instrumentire am letzten Akt des Siegfried. Nächstes Jahre hoffe ich die Composition der Götterdämmerung, davon schon der erste Akt fertig ist, zu beendigen. Dann - dann - werde ich sehr wahrscheinlich meine letzten Lebensnöthen zu überstehen haben […]“
9. 21.I.1871: „[…] Ich bin stark mit einer Partitur beschäftigt - einer Arbeit von welcher ein Dichter keinen Begriff hat! - dazu werde ich sehr häufig durch alberne Zuschriften geplagt. Eine Wiederanknüpfung mit der ,Welt’ behalte ich mir für nächstes Frühjahr vor, und wünsche nur, dass ich zu einem Besuche in Berlin auch durch eine Beendigung des Krieges veranlasst werden möchte, da ich sonst meine Zeit fr dort noch nicht gekommen achten dürfte. Hiermit will ich jedoch nicht sagen, dass ich den Frieden unbedingt herbeiwünsche. Es war schön dass wir nicht auf unsrem Boden uns der Frnazosen erst mit großen Anstrengungen zu erwehren hatten: dennoch darf uns damit nur ein schwieriger Anfang erspart sein; die Alles entscheidende Energie des Kampfes darf dadurch aber nicht vermindert werden. In diesem Sinne verehre ich das Schicksal, welches die Ereignisse so führte, dass wir jetzt mit den Franzosen auf Tod u. Leben zu kämpfen haben; eben so preise ich die [?] Energie Bismarck’s, und verachte nichts als unsre im Bierhause seufzenden Parlamentarischen Zeitungsschreiber […]“
10. 4.XI.1871: „[…] Dass Sie über mich in Irrthum gerathen sind, wir Ihnen - wenn auch zunächst nur schwach - die Zusendung des 1. Bandes meiner gesamlt. Schriften an Sie dieser Tage gesagt haben. - Sehr gern nehme ich die Widmung Ihres Alexander an, und bin im voraus erfreut, Sie hier auf einem gesunden Wege zum Drama zu begrüssen […]“.