4 e. Briefe mit U.
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Albert Schweitzer (1875–1965), Arzt und Theologe, Friedensnobelpreisträger. 4 e. Briefe mit U. Lambarene und Günsbach, 1957 bis 1960. Zusammen (2+1¼+2+½=) 5¾ SS. auf 7 Bll. Gr.-4°. Mit 4 (davon 3 e.) adr. Kuverts und einer Beilage (s. u.). – An Bertha Chrysander, die Schwiegertochter des Musikwissenschaftlers und Händelforschers Friedrich Chrysander (1826–1901) und Gattin von Bismarcks letztem Leibarzt und Privatsekretär Rudolf Chrysander (1865–1950): „[...] Über Chrysanders Werk für Händel wusste ich. Ich war ja in Strassburg Schüler Spittas [d. i. der Musikwissenschaftler und Bach-Biograph Philipp Spitta, 1841–1894] und habe in den Aufführungen Ernst Münch’s [d. i. = der Organist und Chorleiter Ernst Münch, 1859–1928] in Strassburg bei Händelschen Oratorien den Orgelpart auszuführen gehabt. Erschüttert war ich von Israel in Aegypten. Durch meinen Freund Georg Walter, den Tenoristen, hatte ich genauen Bericht über die Göttinger Aufführungen von Händel Opern. Wie gerne hätte ich sie gehört. Aber ich hatte nicht die Zeit und nicht die Mittel für die Aufführungen dahinzufahren. Einen tiefen Dank schulde ich Chrysander für die Authentische Ausgabe der Orgelkonzerte Händels! Durch sie wurde ich von den üblen Bearbeitungen, in denen sie bekannt waren, befreit [...]“ (a. d. Br. v. 2. Januar 1957). – „[...] Wie glücklich ich auch über Ihre zweite Sendung bin, kann ich Ihnen gar nicht ausdrücken. Wie ich Ihnen schon schrieb, habe ich als Student etwa um 1895 über die Herausgabe der Händelschen Werke durch Chrysander durch Professor Spitta, dessen Schüler ich in Strassburg war, erfahren. Es mutete mich wie ein Märchen an. Ich war tief ergriffen und sah die Bände der Händelausgabe jetzt mit anderen Augen an. Was war das für eine Zeit, als man die Werke Händels und Bachs aus Bänden, die nacheinander erschienen, nach und nach in ihrer Fülle kennen lernte. Aber die wenigsten Musiker ahnten, wie die Ausgabe der Händel-Bände zustandekam. Und Chrysander hatte keinen Franz Liszt, der seine Freunde nötitigte [!] die veranstaltete Buchausgabe zu subscribieren, auch wenn sie nicht wussten, was mit den grauen Bänden anfangen! So habe ich um 1900 für 120 Mark einer Pariser Dame die ganze Bachausgabe abkaufen können, als ich die Arbeit an meinem Buch über Bach begann [...] Ich habe hier ein gutes, speziell für die Tropen gebautes Klavier, mit einem Orgelpedal, das mir erlaubt, auch in Lambarene regelmässig zu üben. Es wurde mir von der Pariser Bachgesellschaft geschenkt, deren Organist ich eine Reihe von Jahren gewesen war. Es bedeutet mir viel, in der Übung der Orgel verbleiben zu können [...]“ (a. d. Br. v. 14. Juni 1959). – Auf sehr dünnem Luftpostpapier mit kleinen Randläsuren. – Beiliegend ein e. Brief mit U. von Schweitzers Sekretärin Lotte Gerhold, die in Schweitzers Namen für das „wundervolle Geschenk der Händel Faksimile-Bände“ dankt: „[...] Ich selbst habe auch mit Ehrfurcht diese Bände angeschaut, und mit grossem Interesse die beigefügten Drucksachen gelesen. Erst wenige Monate ist es her, seit ich in London im britischen Museum wieder einmal die dort ausgestellten Manuskriptseiten ansah, und in Covent Garden Opera eine szenische Aufführung von Händels Samson hörte. Das Experiment dieser Aufführung war nicht sehr geglückt [...]“ (dat. Lambarene, 25. April 1959. 2½ SS. auf 3 Bll. Gr.-4°).