Ein einziger Tag verspricht mir die Erfüllung der zwey Einzigen Wünsche, die mich glücklich machen können. Liebste theuerste Freundinnen, ich verlaße eben meinen Körner – meinen und gewiß auch den Ihrigen – und in der Ersten Freude unsers Wiedersehens war es mir unmöglich, ihm etwas zu verschweigen, was ganz meine Seele beschäftigte. Ich habe ihm gesagt, daß ich hoffe – biß zur Gewißheit hoffe, von Ihnen unzertrennlich zu bleiben. In seiner Seele habe ich meine Freude gelesen, ich habe ihn mit mir glücklich gemacht. O ich weiß nicht, wie mir ist. Mein Blut ist in Bewegung. Es ist das erstemal dass ich diese so lang zurückgehaltenen Empfindungen gegen einen Freund ausgissen konnte. Dieser heutig Morgen bey ihnen, diesen Abend bei meinen theuersten Freund vor mir dem ich alles geblieben bin wie ich es war, der mir alles geblieben ist, was er mir je gewesen – soviel Freude gewährte mir noch kein einziger Tag meines Lebens. Körner kündigt mir noch an, daß er bereit sey, Dresden zu verlassen, und Jena zu seinem Auffenthalt zu wählen. Innerhalb eines Jahres kann ich hoffen, auch von ihm unzertrennlich zu werden. Welche schöne himmlische Aussicht ligt vor mir! Welche göttliche Tage werden wir einander schenken! Wie selig wird sich mein Wesen in diesem Zirkel entfalten! O ich fühle in diesem Augenblick daß ich keines der Gefühle verloren habe, die ich dunkel in mir ahndete. Ich fühle, dass eine Seele in mir lebt, fähig für alles was schön und gut ist. Ich habe mich selbst wieder gefunden, und ich lege einen Werth auf mein Wesen, weil ich es Ihnen widmen will. Ja Ihnen sollen alle meine Empfindungen gehören, alle Kräfte meines Wesens sollen Ihnen blühen! In ihnen will ich leben und meines Daseyns mich erfreun. Ihre Seele ist mein – und die meinige ist ihnen. Laßen Sie mich für meine Freunde mit angeloben. Auch sie sind Ihnen, und Sie schenke ich meinen Freunden. Wie reich werden wir durch einander seyn! Aber bestätigen Sie mir beyde, dass meine Hofnung mich nicht zu weit geführt hat, sagen Sie mirs, daß ich Sie ganz verstanden habe, daß Lotte mein seyn will, dass ich glücklich machen kann. Noch mistraue ich einer Hofnung, einer Freude, von der ich noch gar keine Erfahrung habe; Lassen Sie meine Freude bald auch von dieser Furcht ganz rein seyn. Sie können nicht handeln wie gewöhnliche Menschen, sie brauchen also auch gegen mich nichts, als Wahrheit, wir dürfen alle diese Umständlichkeiten überspringen und unsre Seelen frey und rein vor einander entfalten. Ich kann nicht mehr schreiben. Heute nicht mehr, denn meine Seele ist jezt nicht fähig, ruhige Bilder aufzufassen. Es schmerzt mich, daß ich Ihnen so gar nicht schildern kann wie mir ist. Antworten Sie mir ja ohne Aufschub, und wenn nicht gleich eine Post geht, durch einen Expreßen. Sie haben dazu noch einen andern Grund, denn ich muß wissen, ob Sie und die Dachröden gesund genug sind, die Reise nach Leipzig zu machen. Auf den Freitag Mittag sind Körners frey, und diesen Tag könnten Sie also wählen. Sie müssen meine Freunde sehen – und ich muß Sie bald wieder sehen. Diesen heutig Brief werden Sie Mittwoch früh haben. Schicken Sie einen Expreßen, so habe ich Mittwoch abends Ihre Antwort. Nur wenige Zeilen, nur soviel als ich brauche, um meiner Freude ganz gewiß zu seyn. Ich habe hier niemand gesprochen als Körnern. Seine Frau und Schwägerinn sind in einer Gesellschaft, wo sie nicht los kommen können. Fast ist mirs lieb, so bin ich ganz allein bei meiner Freude. adieu! Schiller. Meine addresse: Prof. Schiller im Joachimsthal wohnhaft.“
Im Sommer 1789 kurten die beiden Schwestern Charlotte und Caroline im damals kursächsischen Bad Lauchstädt bei Halle (Saale). Schiller traf dort am 2. August 1789 spät abends ein und eilte am nächsten Morgen zu Caroline und Charlotte. Die Weiterfahrt nach Leipzig zu einem Treffen mit Körner war noch am gleichen Tag geplant. Caroline: „[...] Die Erklärung erfolgte in einem Momente des befreiten Herzens, den herbeizuführen ein guter Genius wirksam sein muß. Meine Schwester bekannte ihm ihre Liebe, und versprach ihm ihre Hand. Die Zufriedenheit der guten Mutter, die uns heilig war, hofften wir, obgleich die äußere Lage wohl noch Bedenken bei ihr erregen konnte. Um ihr unnöthige Sorge zu ersparen, sollte noch Alles für sie geheim bleiben, bis Schiller eines kleinen fixen Gehalts gewiß würde, der eine Existenz in Jena sicherte; einen solchen konnten wir von dem Herzoge von Weimar erwarten. Meine Schwester fühlte die Unmöglichkeit, ohne Schiller zu leben. Einem anderen Verhältniß, das sich ankündigte, war sie durchaus abgeneigt.” Noch am selben Abend schrieb Schiller zur Seite genommen und ihm mitgeteilt, Charlotte würde auf einen Antrag von ihm warten, weil sie nicht mehr ohne ihn leben wollte. Nach seinem kurzen Besuch erreichte Charlotte der „Verlobungsbrief“. Körner als Schillers bester Freund, erfuhr als Erster von seiner Verlobung.
Noch in Bad Lauchstädt hatte Schiller geschrieben: „[...] Vergeßen Sie jezt alles, was ihrem Herzen Zwang auflegen könnte, und lassen Sie nur Ihre Empfindungen reden. Bestätigen Sie, was Caroline mich hoffen ließ. Sagen Sie mir, daß Sie mein seyn wollen, und dass meine Glückseligkeit Ihnen kein Opfer kostet. O versichern Sie mir dieses, und mir mit einem einzigen Wort. Nahe waren sich unsre Herzen schon längst. Laßen Sie auch noch das einzige fremde hinwegfallen, was sich bisher zwischen uns stellte, und nichts nichts die freye Mittheilung unserer Seelen stören. [...]” Charlotte von Lengefeld antwortete am 5. August 1789: „[...] Der Gedanke, zu Ihrem Glück beitragen zu können, steht hell und glänzend vor meiner Seele. Kann es treue, innige Liebe und Freundschaft, so ist der warme Wunsch meines Herzens erfüllt, Sie glücklich zu sehen. Für heute nichts mehr. Freitag sehen wir uns. Wie freue ich mich, unseren Körner zu sehen, und Sie, Lieber, in meiner Seele lesen zu lassen, wie viel Sie mir sind. Hier ist der Brief, den ich Ihnen letzt bestimmte. Adieu! Ewig Ihre treue Lotte.” (zitiert aus „Der Briefwechsel von Schiller und Lotte 1788–1789. Stuttgart 1856”, herausgegeben von Emilie von Gleichen-Rußwurm, geborene von Schiller)
Die Verlobung konnte offiziell erst dann geschehen, wenn Schiller über ein festes Gehalt verfügte. Schiller hatte kurz zuvor, eine außerordentliche Professur für Geschichte und Philosophie in Jena angenommen, was seine wirtschaftlichen Verhältnisse verbesserte. Mit einem Jahresgehalt in Höhe von 200 Talern, warb er am 18. Dezember 1789 brieflich bei Louise von Lengefeld um die Hand ihrer Tochter Charlotte. Louise von Lengefeld willigte am 22. Dezember 1789 brieflich in die Heirat ein: „[...] Ja, ich will Ihnen das Beste und Liebste, was ich noch zu geben habe, mein gutes Lottchen geben.” Die Hochzeit fand am 22. Februar 1790 statt. Sie bekamen vier Kinder und als der Dichter 1805 nach schwerer Krankheit starb, zog sie die zwei Söhne und zwei Töchter alleine groß.
Christian Gottfried Körner (1756-1831) war einer der vertrautesten und einflussreichsten Freunde und Förderer Schillers. Die Freundschaft entstand 1784. Körner war es auch, dem Schiller, in hoffnungsloser finanzieller Lage befindlich, 1785 nach Leipzig folgte. Auf Körners Anregung hin schrieb Schiller das Gedicht „An die Freude“ für die Freimaurerloge, in der Körner Mitglied war. Anlässlich der Hochzeit widmete Schiller die „Ode an die Freude“ seinem Freund Körner und dessen Ehefrau.
Die von Schiller Familie Dachröden war mit den Lengefelds befreundet. Lotte und Caroline waren Freundinnen von Karoline von Dacheröden (1766-1829). Die Freundinnen vertrauten sich ihre Geheimnisse an. Als Charlotte von Lengefeld Schillers Ehefrau wurde, gehörte der Dichter bereits zu diesem engen Freundeskreis, der lebenslang währte. Karoline von Dacheröden heiratete 1791 Wilhelm von Humboldt.
Emilie von Gleichen-Rußwurm (1804-1872) war eine Tochter von Charlotte und Friedrich Schiller. Sie machte sich durch die Veröffentlichung aufschlussreicher Beiträge zur Lebensgeschichte ihrer Eltern einen Namen.
Guter Zustand. Provenienz: letztmalig 1892 von Carl Meinert, Dessau, erworben bei Richard Schulze, Dresden; IX. Versteigerung, 27./28. Oktober 1892. Katalog S. 54. Nr. 601 (vgl. “Schillers Briefe”, Band 2, hrsg. v. Fritz Jonas, 472, Nr. 419). Carl Meinert war ein Industrieller aus Dessau, der Autographen sammelte. - Danach US-amerikanische Privatsammlung..