Karl Gustav Nieritz

Nieritz, Karl Gustav

deutscher Volks- und Jugendschriftsteller (1795-1876). Eigenhändiger Brief mit Unterschrift. Dresden. 4to. 3 pp. Doppelblatt.
$ 1,603 / 1.500 € (83561)

An einen namentlich nicht genannte Dame: „Den ganzen Mai hindurch war ich wieder in Carlsbad und der Juni der […] gewidmet. Dort traf ich wiederholt mit Ihrem Herrn Onkel Gottfried zusammen, der mir unter Anderem auch von den Fortschritten der lieben Holde in der Malerkunst erzählte. Der ganze Juli verging bei meistens üblem Wetter über dem Malen eines großen Oelgemäldes, das zur bestimmten Zeit fertig werden mußte, weil es ein gewünschtes Hochzeitsgeschenk für die Schwester meines Schwiegersohns Math (?) werden soll.

Morgen über 8 Tage, den 10. August, soll die Hochzeit stattfinden und dann erst darf ich an des Wandern denken, sofern nicht irgendein Hinderniß eintritt. Für Ihr gütiges Anerbieten danke ich ablehnend. Erstens, weil ich Tag und Stunde meiner Reise und meines Eintreffens in Freiburg nicht genau bestimmen kann, und zweitens, weil ich bei weitem vorziehe, mich meine eigenen Füße zu bedienen und somit alle Schönheiten der Gegend und so weiter besser zu genießen als wenn ich müßig in einem Wagen sitze. So bin ich auch am 30. April bei dem übelsten Wetter zu Fuße von Schwarzenberg bis Carlsbad gepilgert, wenn schon nicht in einem Tage, da ich erst gegen 4 Uhr nachmittags von Schwarzenberg fort kam. Ich übernachtete in Johann Georgenstadt und war am anderen Tage bei guter Zeit in Carlsbad. Eben so bin ich wieder von Carlsbad nach Annaberg zu Fuß her gewandert, ohne dass es mir nach der überstandenen Kur geschadet hätte. Aber sehr abgemagert kehrte ich heim, was auf einen günstigen Erfolg der Kur hindeutete. So schön und angenehmen der Mai 1865 in Karlsbad war, eben so stach der dies jährige durch Kälte und übles Wetter dagegen ab. Am 25. Mai lagen früh die Dächer voll Schnee und als ich in der zehnten Vormittagsstunde bei Jammer Spatzieren ging, holte mich ein starkes Schneegestöber ein, so dass ich mich in der nächsten Wald flüchten musste. Da mein Stübchen keinen Ofen besaß, so habe ich tüchtig gefroren und die meißte Zeit auf den Füßen verlebt. Die Fahrt im Dampfwagen von Annaberg bis Chemnitz war reizend und erkannte ich von neuem, dass unser Erzgebirge reich an schönen Gegenden ist. […]“ Während Nieritz’ erzählerisches Werk in Vergessenheit geraten ist, wurde die Selbstbiographie (Erstausgabe 1872) in einer gekürzten Version 1997 erneut herausgegeben. Diese detailreiche und auf intensiver Milieukenntnis beruhende Beschreibung des Lebens insbesondere der unteren Bevölkerungsschichten im Dresden des frühen 19. Jahrhunderts bildet ein kulturgeschichtlich bedeutsames Gegenstück zu den bekannteren, jedoch aus jeweils anderen Blickwinkeln verfassten Betrachtungen seiner Zeitgenossen Wilhelm von Kügelgen (Jugenderinnerungen eines alten Mannes) und Ludwig Richter (Lebenserinnerungen eines deutschen Malers)..

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