E. Brief mit U.
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Christian Morgenstern (1871-1914), Schriftsteller, Kritiker, Übersetzer. E. Brief m. U. „Kristian Morgenstierne“, Christiania, 11. August 1898, 4 Seiten gr.-8°. Doppelblatt. Eng, bis in den letzten Winkel beschriebener Brief, an seinen Freund, den "Galgenbruder" Julius Hirschfeld. „Lieber Julius, Entschuldige, dass ich so lange nicht schreibe, aber ich bin scheuslich [!] bescheftigt [!] und habe auserdem [!] ganz deutsch verlernt, weshalp [!] ich auch meine Autographie nachsichtig zu betrachten bitte. Du verlangst von mir einen grossen Norwegischen Brif [!], aber Du hast auch samt Elli ein grosses und guthes Herz und glaubst mir auch so auf mein Wort, dass es hier schön, gesund und interessant ist und der alte Ibsen ein – wenigstens gegen mich – lieber alter Herr, der mich bei meinem zweiten Zusamentreffen [!] mit ihm zu einem Glas Salvator eingeladen hat und den ich nächstens zum 3. – aber nicht letzten – Mal aufsuchen werrde [!]. – 5 Tage war ich auserdem [!] im Innern, über einen 8 stündigen See und 3300 Fuss über dem Meeresspigel [!]. Noch war de keine eigentliche Hochgebirgsnatur, aber’s war doch sehr fesselnd, besonders überall diese fabelhafte Raumverschwendung. Ganz Norge hat ja kaum soviel Einwoner [!], wie – ja! wie unser geliebtes Berlien [!]. Nach dem ich übrigens noch immer nicht zurückkehre, da ich vielleicht aud den Winter bleibe und dann natürlich auch wieder den Sommer u.s.f. Das kommt nämlich unter anderem daher, dass ich keinen Pfenig [!] Reissegeld [!] besitze, in folgedessen [ich] nun hier auf Jahre hinaus festgenagelt bin. Dabei fällt mir das goldene Narrenschiff ein, von dem ich enorme Summen – durch Deine Vermittlung – erwarte. Im Ernst, Du musst, falls überhaupt die Galgensache mit dem Saublatt zustande kommt, Geld ohne Maass fordern – denn allein mit Geld wäre es abzuwaschen, dass man Blättern solchen Schlages etwas von seinem Lachen ablässt. Es gehört sonst nicht zu meinen Eigenheiten, an Geldpunkte zu denken aber ich sehe nicht ein, warum wir diesen Leuten nicht kurz kommen sollen, wenn wir Ihnen überhaupt was zuschustern. Ausserdem haben die Hunde Sachen von mir ein halbes Jahr und lassen mich einfach in meinem Ausland Karten schreiben. […] Also, Junge, lällst Du Dich drauf ein, so such mir baldmöglichst Geld-Vorschuss […] zu verschaffen; denn ich kann kaum meine Wäscherin bezahlen. Zwischen ‚bezahlen’ und ‚zwischen’ liegt ein Konzertabend, in dessen weiteren Verlauf ich nun diesen Brif [!] vollende. Also Euch geht’s hoffentlich gut, radelnd oder nicht radelnd, gleichviel. Was macht Rübezahl und wo ist er? Warum weiss ich Frischs Adresse nicht, möchte sie aber doch sehr gern wissen? Warum schreibt […] mir nicht einen Brief solang wie der Tigris? Warum hört man von Kahn nur Lieder und auch nur von diesen? Warum wird jetzt gerade mein neues Buch gedruckt? Warum schickt mir Lutz Karten aus München? Kinder, das Klavierspiel wonach das junge Norwegen drunten im Sale [!] tanzt ist mörderisch. Ich freu mich auf September. Da wird ich durch meinen dann endlich zurückgekerten [!] Freund Fett ein gut Teil jung Christiania kennen lernen. […] Sage nicht ‚Viehch’ Julius! Sondern schreibe etwas ‚Ähnliches’. […] Ich behalte mir dem Narrenschiff gegenüber vor, die Texte in einer eventuellen Galgenliedersammlung mit den andern Sachen derselben dort selbständig herauszugeben […]“