Fritz Lehmann

Lehmann, Fritz

Dirigent und Musikpädagoge (1904–1956). Eigenh. Brief ohne U. Berlin, 23.12.1954. 1 1/2 pp. auf Kl.-4to. Gedr. Briefkopf.
$ 267 / 250 € (83333)

Berührender und eng beschriebener eigenhändiger Brief „Zum Proben-Beginn mit den Berliner Philharmonikern am 23. XII. 54“, der den Tod Wilhelm Furtwänglers (1886-1954 )behandelt. „Meine Herren, - es ist mir nicht möglich, unsere neuerliche Zusammenarbeit zu beginnen, ohne Sie darum zu bitten, einige Worte gerade vor Ihnen und zu Ihnen darüber sagen zu dürfen, wie mich der Tod von Herrn Dr. Furtwängler bewegte. Die unerwartet rasche und strenge Entscheidung einer höheren Macht ließ mir bewußt werden, wie es uns offenbar auferlegt ist, Abschied zu nehmen, „bewußten“ Abschied von der „absoluten“ und darum isolierten Unerreichbarkeit der künstlerischen Persönlichkeit.

Es scheint mir die wirkliche, alles Unwesentliche abstreifende Größe eines Menschen zu erhärten, wenn schon sein Tod bewußt werden läßt, daß er eine ganze Entwicklungsstufe abschließt. Wenn ich in allen vergangenen Jahren in Abständen immer wieder vor Ihnen, meine Herren, zu den verschiedensten Aufgaben erscheinen durfte, so habe ich in keinem Falle, was auch immer es gewesen sei, die Arbeit aufgenommen, ohne zu wissen, zu spüren, daß dies jener Arbeitskreis ist, der die engste Übereinstimmung mit der Einmaligkeit einer einzelnen Gestalt für viele erreicht hat. Hinter der Achtung vor Ihrer Leistung, meine Herren, stand immer unausgesprochen die scheue Ehrfurcht vor der unerreichbaren Leistung eines Einzelnen, dem Eigengültigkeit für mich stets so verpflichtend erschien, daß sie jegliche Versuche der Imitation aus sich heraus verbot. - Bitte, meine Herren, wollen Sie aus diesem Bekenntnis entnehmen, welches Ausmaß ich dem Verlust, den Sie erlitten, welche Bedeutung ich der Entwicklungswende, die vor Ihnen steht, beimesse. - Am 4. Dezember, dem Begräbnistag Herrn Dr. Furtwänglers, stellte meine 80jährige Mutter, deren Geburtstag gerade in Heidelberg begangen sein wollte, in einer frühen Vormittagsstunde jene Fragen, die vor einem vielleicht bald zugedachten Abschied der Klärung bedürfen. In dieser sehr ernsten Stimmung war ich dann zu Beginn der Trauerfeier vor der Kirche in Heidelberg. Vielleicht verstehen Sie, wenn meine Verfassung die Überwindung zum Zeremoniellen nicht zuließ. So blieb ich einige Minuten still vor der Kirche und fuhr dann, erfüllt von Ehrfurcht vor einem Toten, dem man über ein Menschenalter Dank schuldete, von Heidelberg weg. Aus der gleichen Haltung heraus kann ich heute unsere Arbeit, meine Herren, nur beginnen. Lassen Sie uns bitte jetzt anfangen.“ Fritz Lehmann war ab 1946 künstlerischer Leiter des Göttinger Händel-Festivals, das er entscheidend prägte. Ab 1950, etwa zeitgleich mit der Einführung der Langspielplatte, schloss Lehmann einen Plattenvertrag mit der Deutschen Grammophon Gesellschaft, zu deren führenden Dirigenten er in den Folgejahren gehörte. Lehmanns Repertoire reichte vom Barock bis in die gemäßigte Moderne. Schwerpunkte seiner Aufnahmetätigkeit waren die Werke von Bach und Händel. Mit den Berliner Philharmonikern nahm er immer wieder Schallplatten auf. Während einer Aufführung der Matthäus-Passion am Karfreitag 1956 erlitt Fritz Lehmann einen Herzinfarkt. Wilhelm Furtwängler war einer der bedeutendsten und berühmtesten Dirigenten seiner Zeit. Von 1922 bis 1945 und von 1947 bis zu seinem Tod 1954 war er Leiter der Berliner Philharmoniker..

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