E. Brief mit U.
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Wassily Kandinsky (1866–1944), Maler. E. Brief mit U. („Kandinsky“). München, 8. Mai 1914. 3¾ SS. auf 2 Bll. 4°. – An den Sammler van Assendelft: „Es freut mich zu hören, daß Sie im Juni nach München kommen. Ich bin dann entweder hier, oder auf dem Lande. Wenn Sie mir rechtzeitig eine Karte schreiben, komme ich mit besonderem Vergnügen in die Stadt. Adresse ist Murnau a. Staffelsee, Oberbayern. Übrigens werden mir die Briefe nachgesandt, so daß Sie auch an meine Münchner Adresse schreiben können. Es ist mir ziemlich schwer, in abstrakteren und abstrakten Sachen ganz objektiv zu bleiben. Hier hat sich in mir eine eigene Welt gebildet, die aus vibrierenden Formen besteht. So erscheinen mir die Formen, die sich den geometrischen nähern, müde [?], gerade Konturen aufweisen, ziemlich fremd. Ihre Sprache ist für mein Ohr zu trocken, ihre Pulsierung – mechanisch. Deshalb lassen mich die meisten kubistischen Arbeiten vollkommen kalt und diese Kälte empfinde ich auch in den Linoleumschnitten [...] Den Eindruck, daß diese Sachen nicht entstanden sind, sondern gemacht wurden, kann ich nicht loswerden. Wenn die Ausstellung hier ist und [ich] viel mehr zu sehen bekomme, so ändert sich vielleicht dieser erste Eindruck. Über die Frage, ob die Kunst gemacht werden kann, habe ich viel nachgedacht. Manche Maler von heute haben mir diese Frage aufgezwungen. Nun bin ich zum Schluß doch zu der Meinung gekommen, daß auch die kühlste Kunst im Künstler entsteht und er findet nur die passende Form. Aber auch dieses unbedingt unter Mithilfe der reinen Intuition [...]“. – S. 1 mit Adreßstempel. - Bei Kriegsausbruch 1914 musste Kandinsky Deutschland verlassen und kehrte nach Russland zurück. - So frühe und inhaltsreiche Briefe Kandinskys sind äußerst selten.