Friedrich von Holstein

Holstein, Friedrich von

Staatsmann (1837–1909). 4 eigenh. Briefe mit U. („Holstein“). [Berlin]. Zusammen 30 SS. auf 18 (= 9 Doppel)Blatt. 8vo.
$ 5,291 / 5.000 € (23149)

Friedrich von Holstein (1837–1909), Staatsmann. 4 e. Briefe mit U. („Holstein“). [Berlin], 1905 und 1906. Zusammen 30 SS. auf 18 (= 9 Doppel)Blatt. 8°. – Inhaltsreiche Schreiben an den namentlich nicht genannten Hugo Jacobi, den ehemaligen Chefredakteur der „Münchner Allgemeinen Zeitung“ und politisch Verbündeten, der eine wichtige Presseverbindung der „Grauen Eminenz“ darstellte. Holstein schreibt u. a. über die deutsche Außenpolitik während der ersten Marokkokrise, über das Verhältnis zu Frankreich, Rußland und England sowie über die Umstände seiner Entlassung im April 1906.

– „[...] Ich bin nicht mit Allem was geschieht bezw nicht geschieht einverstanden. Damit habe ich nicht die Marokkofrage, die nur ein Incidenzpunkt und ein Prüfstein ist, im Sinn, sondern die Weltlage überhaupt. Daß wir durch den Ausbruch der russischen Epidemie in eine neue Epoche hineingestoßen werden, daran kann doch Niemand zweifeln, vernünftigerweise. Dann sollte man sich aber auch dem entsprechend einrichten, anstatt mit alten Formeln weiterzuwirthschaften. Das alte Rußland, wo es nur auf die Ansicht der Zaren und seines Auswärt. Ministers ankam, ist für alle Zeiten verschwunden. An seine Stelle tritt das ‚Rußland der Russen’, wo schon jetzt in allen Volksversammlungen der Krieg gegen Deutschland als ‚unvermeidlich’ gepredigt wird. Die Franzosen ihrerseits sind sich längst klar darüber daß die Ersetzung des autokratischen Zarenthums durch das mitregierende Slawenthum eine Neubelebung des Revanche-Gedankens bedeutet. Man muß deßhalb die Franzosen jetzt ruhig u vorsichtig behandeln. Aber der Versuch, die Franzosen jetzt durch Liebenswürdigkeiten in Nordafrika aus ihrer festen Revanche-Stellung zwischen England u Rußland herauslocken u zu uns herüberziehen zu wollen, ist wirklich naiv. Was wir jetzt thun müssen oder sollten ist, der gegenwärtigen durchaus friedlichen englischen Regierung die Überzeugung beibringen, daß auch wir friedlich sind und namentlich, daß wir nichts gegen Engl[an]d im Schilde führen. Das müssen wir aber während der nächsten Jahre thun, wo Rußland noch mit sich beschäftigt ist, Zeit ist da nicht zu verlieren. Statt dessen sehe ich in der deutschen illustrierten u nichtillustrierten Presse immer noch giftige Hetzversuche. Haben Sie z. B. die ‚Lustigen Blätter’ gesehen? Da ist wieder ein niederträchtiges Hatzbild gegen England. Wie das drüben wirkt, weiß man. Und wie solchen Unthaten vorzubeugen wäre, weiß man auch, nemlich durch Bedrohung der Thäter, welche zumeist Österreicher und Russen, folglich ausweisbar sind. Aber man beugt nicht vor, die Hetze geht ungestört weiter und setzt besonders energisch ein in Momenten, wo, wie jetzt, die englisch-deutschen Beziehungen sich zu bessern scheinen [...]“ (a. d. Br. v. 22. Dezember [1905]). – „Wundern Sie sich nicht, wenn Sie Ihre ausgezeichnete ‚Abwehr’ nicht in der NAZ oder sonstwo erblicken. Die Berl. Neuesten haben einen langen Artikel über ungefä[h]r das gleiche Thema gebracht. Bei der geringen Bedeutung der Angriffe schien mir dennoch alles Weitere zu viel. Außerdem ist es für die ethische Vollendung des Menschen gewiß förderlich, wenn er öfters liest daß er ein Schaaf oder ein Scheusal ist. Wenn er sich dann innerlich fragt ‚Ganz so schlimm ist es nicht’ gewährt das auch wieder eine stille Befriedigung. Befriedigung ist heut zu tage ebenso schwierig wie jeder andre Erwerb. Man muß sehen, wo man sie her kriegt [...]“ (a. d. Br. v. 20. März [1906]). – Der Brief v. 20. April 1906 wurde vier Tage nach seiner Entlassung verfaßt, die ihm nach einem wiederholten Abschiedsgesuch schließlich erteilt worden ist: „[...] Nach Bülows Erkrankung war mir von einer ihm nahestehenden Seite empfohlen worden jetzt nicht weiter zu drängen, sondern Urlaub zu nehmen. Das that ich. Der Urlaub ward bewilligt. Meine beiden Abschiedsgesuche lagen unter Verschluß bei Bülow. Gleichwohl schrieb mir Tschirschky [d. i. der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Heinrich von Tschirschky (1858–1916)], er habe ‚nach erhaltenem Auftrage des Hrn RK’ [d. i. Bernhard Fürst von Bülow (1849–1929)] Sr Majestät über mein Abschiedsgesuch Meldung erstattet u der Abschied sei in Gnaden bewilligt. Auftrag des RK – da habe ich schwere Zweifel. Denn Mittwoch d 4t Abds spät schrieb mir Bülow ‚ich solle ihm Zeit lassen, er wolle mein Gesuch dem Kaiser mündlich vortragen’. Nach dem was ich hinterher erfuhr, dachte er noch an einen Modus vivendi. Dem aber hat man wohl vorbeugen wollen, daher die Überstürzung, die in erster Linie eine Rücksichtslosigkeit gegen Bülow ist, daß er zwischen seiner Erkrankung u dem 16ten einen geschäftlichen Auftrag gegeben haben sollte, ist nach dem was Rewers sagt ausgeschlossen. Das Ganze war ein zusammenhängender Plan, der sich, vornehmlich in den letzten Monaten, fast mehr gegen Bülow als gegen mich richtete. Zuletzt hat Bülow das, glaube ich, eingesehen u der Stoß traf ihn härter als mich, der ich ohnehin nur noch eine kurze Spanne Zeit vor mir hatte. Was kommt jetzt? Wer steuert? [...]“. – Friedrich von Holstein hatte im Krieg von 1870/71 dem Stab Bismarcks angehört, wurde dann Botschaftssekretär in Paris und kehrte 1876 in das Auswärtige Amt zurück. Seit 1885 betrieb er hinter dem Rücken Bismarcks eine Politik der Abwendung von Rußland, gewann nach dem Sturz des Kanzlers 1890 an Einfluß, „wurde später jedoch als ‚Graue Eminenz’ der deutschen Politik unter den Kanzlern Caprivi und Hohenlohe-Schillingsfürst überschätzt. Holstein war ein Gegner der Erneuerung des Rückversicherungsvertrags mit Rußland und befürwortete gute Beziehungen zu England. Er verantwortete den Beginn der deutschen Marokkopolitik 1904, scheiterte jedoch mit seiner Politik der Stärke gegen Frankreich und wurde nach der Konferenz von Algeciras 1906 überraschend von dem ihm bis dahin nahestehenden Reichskanzler Bülow in den Ruhestand versetzt, blieb jedoch in Kontakt mit dem Auswärtigen Amt. Holstein war eine schillernde Persönlichkeit, dessen tatsächlicher politischer Einfluß umstritten ist. Seine Schriften wurden postum publiziert (u. a. ‚Die geheimen Papiere Friedrich von Holsteins’, 4 Bde., 1956–63)“ (DBE)..

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Holstein, Friedrich von

Staatsmann (1837–1909). Eigenh. Brief mit U. („Holstein“). O. O. 1½ SS. Gr.-8vo.
$ 846 / 800 € (23150)

Friedrich von Holstein (1837–1909), Staatsmann. E. Brief mit U. („Holstein“). O. O., „Freitag, 11.30 N[achts]“. 1½ SS. Gr.-8°. – An einen namentlich nicht genannten „lieben Kollegen“: „In Sachen Müller-Strelius [?] ist Herbert [d. i. Herbert Fürst von Bismarck (1849–1904)] total gegen die [...] Auffassung, er möchte vielmehr am liebsten nachgewiesen sehen, daß die beiden Müllers den Adel behalten. Sehen Sie sich die Sache mal von dem Gesichtspunkt an [...]“. – Friedrich von Holstein hatte im Krieg von 1870/71 dem Stab Bismarcks angehört, wurde dann Botschaftssekretär in Paris und kehrte 1876 in das Auswärtige Amt zurück.

Seit 1885 betrieb er hinter dem Rücken Bismarcks eine Politik der Abwendung von Rußland, gewann nach dem Sturz des Kanzlers 1890 an Einfluß, „wurde später jedoch als ‚Graue Eminenz’ der deutschen Politik unter den Kanzlern Caprivi und Hohenlohe-Schillingsfürst überschätzt. Holstein war ein Gegner der Erneuerung des Rückversicherungsvertrags mit Rußland und befürwortete gute Beziehungen zu England. Er verantwortete den Beginn der deutschen Marokkopolitik 1904, scheiterte jedoch mit seiner Politik der Stärke gegen Frankreich und wurde nach der Konferenz von Algeciras 1906 überraschend von dem ihm bis dahin nahestehenden Reichskanzler Bülow in den Ruhestand versetzt, blieb jedoch in Kontakt mit dem Auswärtigen Amt. Holstein war eine schillernde Persönlichkeit, dessen tatsächlicher politischer Einfluß umstritten ist. Seine Schriften wurden postum publiziert (u. a. ‚Die geheimen Papiere Friedrich von Holsteins’, 4 Bde., 1956–63)“ (DBE)..

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