Eigenh. Brief mit U.
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Friedrich Hebbel (1813-1863), Dramatiker, Lyriker und Kritiker, der bedeutendste Vertreter des „Realismus“ in der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts. E. Brief m. U. „Dr. Friedrich Hebbel“, Wien, 26. Juni [18]46, 3 ¾ Seiten 8°. Mit eigenhändigem, gesiegeltem Umschlag. An den Kirchspielschreiber Voss in Wesselburen, Hebbels Geburtsort. Umfangreicher, wichtiger Brief des durch seine soeben erfolgte Eheschließung mit der Burgschauspielerin Christine Enghaus endlich „arrivierten“ Dichters, gerichtet an einen Bekannten aus seiner Kindheit und Jugend. Voss hatte Hebbel den für die Heirat erforderlichen Geburtsschein aus Wesselburen gesandt, und der Dichter bedankt sich hier mit einem ausführlichen Schreiben, in dem er nicht ohne einen Anflug von Eitelkeit eine stolze Bilanz seiner Karriere zieht. „[...] Ich wollte mich durch mein Bild bei Ihnen ein wenig lebhafter, als es durch Briefe möglich ist, in Erinnerung bringen, aber der Lithograph hat so gepfuscht, daß ich darauf Verzicht leisten muß [...] Das Bild ist freilich in den Zügen nicht ganz unähnlich, aber so todt, so leer, daß ich noch im Sarg nicht so aussehen werde. Leider ist es stark gekauft worden, as mir schaden könnte, wenn ich nicht schon eine Frau hätte und erst eine suchen sollte. Eine junge Dame hat mich in Oel gemalt. Dieß Portrait ist meisterhaft gelungen und unstreitig das beste, das von mir existirt. Man dringt von vielen Seiten in mich, es lithographiren zu lassen [...] Die Künstlerin ist noch blutjung, ihr zitterte die Hand, wie sie anfing, aber der Erfolg war glänzend [...]“. Nach dem Bericht von einem Selbstmord im Theater, den ein Verehrer von Christine Hebbel aus unglücklicher Liebe begangen habe, kommt der Dichter auf seine literarischen Erfolge zu sprechen: „[...] Meine Judith und meine Maria Magdalena sind ins Italiänische übersetzt worden. Der Uebersetzer, ein Abbate, besuchte mich; es machte mir Freude, meine Gedanken in so wohlklingender Sprache, die mir seit meinem Aufenthalt im Süden doppelt lieb geworden ist, zu vernehmen. Hoffmann und Campe haben ein Büchlein über mich gebracht: ‚Ueber den Einfluß der Weltzustände auf die Richtungen der Kunst und über Hebbels Werke, von Felix Bamberg’ worin ich mit Vergnügen den Anfang einer tieferen Kritik meiner Arbeiten begrüßt habe. Maria Magdalena wird, obgleich ich selbst gar Nichts dafür thue, auf allen Bühnen gegeben und im In- und Auslande als die Spitze der modernen Literatur-Bewegung begrüßt [...] Es ist unglaublich, wie man in Anspruch genommen wird, wenn man einen Namen hat [...] Ich habe ein Kästchen, in das ich die Karten hinein werfe, die für mich abgegeben werden; alle 8 Tage muß ich es leeren. Im Winter will ich mich auf einen andern Fuß einrichten, ich will einen Abend der Woche bestimmen, wo ich Leute sehe und zu jeder andern Zeit für Besuche unzugänglich seyn, Fremde ausgenommen [...] Ich kann doch nicht alle Tragödien, die ich noch schreiben könnte, opfern, um Complimente über diejenigen entgegen zu nehmen, die ich bereits geschrieben habe [...]“. Ferner über Voss’ Tochter Emilie (in die Hebbel bereits als Schüler verliebt gewesen war), über Hebbels Bruder und über die Aussicht eines Besuches in Wesselburen: „[...] Es ist nicht unmöglich, daß ich im nächsten Jahr persönlich nach Dithmarschen komme. Meine Frau, wie ich selbst, bedürfen des Gebrauchs eines Seebades, schwanken aber freilich noch zwischen Helgoland und einigen anderen. Gehen wir nach Helgoland, so mache ich einen Abstecher in mein Vaterländchen [...]“. – Unter Nr. 222 in der Hist.-Krit. Ausgabe von R. M. Werner abgedruckt, jedoch nur nach der unzuverlässigen Abschrift des damaligen Besitzers, in der mindestens ein Wort falsch gelesen, ein Wort ausgelassen und ein Wort zusätzlich eingefügt worden ist. – Der Brief mit hübschem Schmuckrand, der Umschlag mit Hebbels eigenhändiger Absender-Adresse, gut erhaltenem Ringsiegel und mehreren Poststempeln.