Cerri, Cajetan
Schriftsteller und Dichter (1826-1899). Eigenh. Brief mit Unterschrift. Wien. 8vo. 2 1/2 pp. Doppelblatt. Ecken leicht geknickt.
$ 190 / 180 €
(87589)
Brief an eine nicht benannte Kollegin (vermtl. Marie von Najmájer). „[...] Aus den beiliegenden Zeilen des Herrn Hofrathes v. Falke- des eigentlichen Hauptredacteurs und Vertreters des in Kurzem erscheinenden literarischen Jahrbuches ,Dioscuren’- wollen Sie gütigst selbst [...] Kenntniß nehmen, [...] indem ich Ihnen besagte Zeilen im Originale übersende, und Sie [...], den weiter angeschlossenen Correctur-Abzug, mit Ihrer eventuellen Schluß-Correctur versehen, [...]. Ich selbst muß [...] betonen, daß mir dieser günstige Anlaß die geistige Annäherung und den brieflichen Verkehr mit der Verfasserin eines Gedichtes ermöglicht habe, das durch Gesinnung und Gedanken, durch Stimmung und Bau, durch Inspiration und Diction, einmal wieder ein hervorragendes, wahres Talent in Zeiten bekundet, wo sonst fast nur Effecthascherei, oder hohle Mache, sich, von Clique und Reclame gefördert, breit zu machen pflegen.
[...]“
Mit 13 Jahren kam er nach Wien und fand hier Aufnahme im damaligen Stadtconvict. Die deutsche Sprache war ihm damals vollständig fremd; aber kaum hatte er einen Einblick in die deutsche Litteratur gewonnen, so trieb ihn der Ehrgeiz, Goethe's „Werthers Leiden“ im Original selbst zu lesen und dieses Werk mit Foscolo's stoff- und formverwandtem Buche „Le ultime lettere di Jacopo Ortis“ vergleichen zu können, zu einem energischen Studium des deutschen Idioms und zu einer Anwendung desselben in eigenen Gedichten an. Sein erstes deutsches Gedicht erschien im Winter 1845 in Bäuerle's „Theaterzeitung“. Das Jahr 1847 verlebte C. in verschiedenen Städten Oberitaliens, in Venedig, Padua, Mailand und Cremona, und überall kam er mit vielen gelehrten Männern in persönliche Berührung. Zu Anfang des J. 1848 kehrte er nach Wien zurück, doch erfuhren seine juridischen Studien durch die Zeitereignisse eine unliebsame Unterbrechung. Nach größeren Reisen trat er als überzähliger Praktikant bei der Amtsverwaltung Schotten, später als Candidat beim Ministerium für Landescultur und Bergwesen ein und übernahm zugleich die Stelle eines Professors der italienischen Sprache und Litteratur am Wiener Conservatorium. Um diese Zeit entfaltete C. auch eine umfassende litterarische und journalistische Thätigkeit. Er redigirte 1850—51 und 1855—56 die in Graz erscheinende Damenzeitung „Iris“ und 1854 das Feuilleton des „Corriere italiano“, gab „Politische Liebeslieder" (1848), „An Hermine“ (ein Lied von der Unsterblichkeit nach A. Aleardi, 1849), „Glühende Liebe. Deutsche Lieder eines Italieners“ (1850), „An Fanny Elßler. Eine Apotheose nach G. Prati“ (1851), „Ispirazioni del cuore. Sonetti e poesie diverse“ (1854) und verschiedene Uebersetzungen aus dem Italienischen heraus und schrieb 1852—56 in der „Leipziger Theaterchronik“ unter den Verhüllungen Dr. Veritas oder Bayard auf Laube's Anregung die „Wiener Briefe über das Burgtheater“. Um die Mitte der 50er Jahre wurde C. Official beim Ministerium des Innern, später Hofsecretär im Ministerium des Aeußern und schließlich Sectionsrath in demselben. Aus der nun folgenden zweiten Periode der poetischen Thätigkeit Cerri's stammen seine Sammlungen „Inneres Leben" (1860), „Aus einsamer Stube" (1864), „Gottlieb. Ein Stillleben" (1871) und „Sturm und Rosenblatt. Dramatische Dichtung" (1872), die einen großen Fortschritt gegen die früheren Dichtungen bekunden. „Das Wesen des der Fremde entsprossenen Poeten hatte sich abgeklärt; Ruhe und Stetigkeit, Objectivität und Sammlung waren in seine Ergüsse getreten. Während die Liebeslieder der ersten Periode von sinnlicher Glut erfüllt sind, für welche ihm die feurigsten Ausdrücke und die glänzendsten Bilder in reicher Fülle zuströmen, bewegen sich die späteren Sammlungen vorzugsweise im Gebiete der Lebensbetrachtung. Die Liebeslieder sind beinahe durchgängig Variationen eines und desselben Themas, dem jedoch der Dichter keine Mannichfaltigkeit abzugewinnen weiß; in den späteren Dichtungen begegnen wir dagegen einem erfreulichen Reichthum an Gedanken, die, wenn auch nicht neu, doch immer schön und tief sind.“ In seinem letzten Werke, „Ein Glaubensbekenntniß. Zeitstrophen“ (1872) hält er mit rückhaltsloser Offenheit im dichterischen Zorne und in schwungvollen Versen der entarteten Zeit ein trauriges Spiegelbild vor..