Adler, Guido
Musikwissenschaftler (1855-1941). Eigenh. Brief mit U. Edlach [bei Reichenau]. 25.05.1903. 2 SS. 4to.
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(934700/BN934700)
"Geehrter Herr Doctor! Ihr Schreiben v. 21. dM wurde mir hierher nachgesendet, wo mir kein anderes Papier zur Verfügung steht, als diese Blätter. Wenn Sie erklären, daß Ihnen der animus injuriandi fehlte, den ich nach der Faßung Ihres Angriffes annehmen mußte, so stehe ich nicht an zu sagen, daß dann auch bei mir der Anlaß fehlt, mich über Ihre Person hinwegzusetzen. Meine Erwiderung wollen Sie dann als an Sie persönlich gerichtet ansehen. - Über die fraglichen Puncte werden wir uns wohl nicht einigen können.
Die vielen Widersprüche in Wagner's Aufstellungen laßen sich nicht aufheben. Es wird dann darauf ankommen, welche Meinung oder Richtung in einer Frage bei ihm überwiegt. Und da ist es zweifellos, daß W. der Wißenschaft gegenüber sich ablehnend verhielt, auch gegenüber der Naturwißenschaft, wenngleich er der Letzteren ab und zu gerecht zu werden suchte. Als Literat werden Sie wohl einsehen, daß eine Erklärung in dem Sinne, daß W. die Wißenschaft 'verlacht' habe (wie sie in dem Briefe an das Wagnerdenkmal-Comité lautet) empörend ist. Solche Eruptionen soll man wohl nicht der Öffentlichkeit übergeben. Gerade dagegen habe ich meine Stimme erhoben. Solche Citirungen sind nicht scharf genug zurückzuweisen. Ich habe also nicht gegen Aufzeichnungen mündlicher Äußerungen im Allgemeinen mich erklärt, sondern nur gegen Heranziehungen solcher Art. Sie hätten daher mit Ihrer Kritik der 'Unwißenschaftlichkeit' etwas vorsichtiger sein können. Es ist übrigens nicht meine Absicht, Sie zu belehren oder belehren zu wollen, sowie ich mich gegen jeden Versuch, mir Ihre Ansicht zu octroyiren, ablehnend verhalte. Ich muß übrigens gestehen, daß ich von einer 'Schlappe' oder 'Abfuhr' (einer im diplomatischen Verkehr wohl nicht üblichen Bezeichnung) nichts verspüre - vielleicht fehlt mir die Intelligenz hiezu. Wenn Andere auf Ihrer Seite stehen, desto beßer für Sie. Wollen Sie es mir überlaßen, 'meine Reputation nicht zu schädigen' - dieser Rath erscheint mir überflüßig. - Daß Sie mit solcher Wärme für ideelle Fragen eintreten, gereicht Ihnen zur Ehre. Nur gestatten Sie mir als Älterem die Bemerkung: Laßen Sie sich nicht binden u. behaupten Sie Ihre Freiheit! [...]". - Guido Adler gilt als Begründer der Wiener Musikwissenschaft. "A scholar, writer, critic, and founder of the field of Musicology, Guido Adler was an important figure in international music circles for nearly fifty years [...] As a teacher Adler’s impact was enormous. In addition to the many students who went on to become important musicologists in their own right, he founded Quarterly for Musicology, created scholarly festivals on Haydn and Beethoven, published numerous authoritative works of musicology and began publishing Monuments of Music in Austria – a work he edited for forty-four years" (Hargrett Library, Univ. of Georgia)..