Eigenh. Musikmanuskript (Fragment) ohne Unterschrift.
Autograph ist nicht mehr verfügbar
Von zeitgenössischer Hand links oben beschriftet „Zelter’s Handschrift“ und wohl von diesem überschrieben mit „Antonio Lotti“; Chorstimmen mit acht Takten in acht Zeilen. – Bei dem vorliegenden Blatt wird es sich wohl um ein Fragment der Noten zu Antonio Lottis achtstimmigem „Crucifixus“ handeln, das im April 1820 bei einer Feier des Geburtstages von Rafael aufgeführt worden war. „Unser Künstlerverein“, so schreibt Zelter an Goethe, mit dem er mehr als dreißig Jahre lang korrespondieren sollte und dem er in tiefer Freundschaft verbunden war, „unser Künstlerverein hat sich mit der kgl. Akademie zu einer Feyer des Geburtstages von Rafael verbunden [...] ein Singchor von 100 ausgewählten Personen, Frauen, weiß, und Männer hinter ihnen, schwarz gekleidet, im Halbkreis aufgestellt. Gesungen ward: 1) Ein Requiem von mir. 2) Das Leben Rafaels abgelesen vom Professor Tölken. 3) Crucifixus von Antonio Lotti; eines großen Styls wegen merkwürdig [...]“ (Br. v. 19. April 1820, abgedruckt in: Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1796 bis 1832. Hrsg. v. F. W. Riemer. Bd. III. 1819–1824. Berlin, Duncker & Humblot, 1834. SS. 77–79, hier S. 77f.; die Feier hatte am Tag zuvor stattgefunden).
Zelter war Musikprofessor und Komponist und gleichsam bedeitemder Musiklehrer (u.a. von Felix Mendelssohn-Bartholdy). Mendelssohn hatte er mit der Musik Johann Sebastian Bachs vertraut gemacht und damit zur großen Wiederbelebung der Musik Bachs im 19. Jahrhundert beigetragen. In die Geschichte eingegangen ist Carl Friedrich Zelter nicht zuletzt durch seine langjährige Freundschaft zu Johann Wolfgang von Goethe. Neben seinen 148 Vertonungen von Goethe-Texten umfasst Zelters musikalisches Werk auch Sinfonien, Konzerte, Klavierwerke und weitere Vokalkompositionen, darunter Kirchenmusik.
Im Jahr 1802 hatte er Johann Wolfgang von Goethe in Weimar kennengelernt. Zwischen den beiden entwickelte sich eine tiefe Freundschaft mit vielen persönlichen Begegnungen und einem mehr als 30 Jahre lang andauernden Briefwechsel. Zelter war einer der wenigen Duzfreunde Goethes. Er erhielt zahlreiche Gedichte von Goethe und schickte sie vertont zurück. Goethe plante offenbar auch, den Pfingsthymnus „Veni creator spiritus“, der dem Fuldaer Abt und Mainzer Erzbischof Hrabanus Maurus zugeschrieben wird, und den Goethe ins Deutsche übersetzte, von Zelter vertonen zu lassen. Womöglich für private Zwecke. Doch das Vorhaben kam nicht zustande.
Interessant ist dies deshalb, weil Gustav Mahler den Pfingsthymnus für den ersten Teil seiner 8. Sinfonie aufgriff. Dabei fügte er zwei Texte zusammen, die auf den ersten Blick nichts miteinander gemeinsam haben: auf der einen Seite „Veni creator spiritus“, auf der anderen Seite folgt die Szene „Bergschluchten, Wald, Fels“ vom Schluss des zweiten Teils von Goethes „Faust“. „Goethe hat den Pfingsthymnus nicht nur auf den Heiligen Geist bezogen, sondern als einen Appell an das Genie gedeutet. Genau das dürfte auch Gustav Mahler letztlich fasziniert haben, der Glaube an die Kraft des Schöpferischen. Mahler denkt also, etwas vereinfacht gesagt, nicht katholisch, sondern goetheisch“, schreibt Michael Sanderling, der Chefdirigent der Dresdner Philharmoniker.
Mahler selbst schrieb: „Es geht um die ewige Liebe, die göttliche Gnade, die Unvollkommenheit alles Irdischen und die geistige Wiedergeburt. Der zweite Teil bringt die Erfüllung unserer Sehnsucht. Der ‚Geist‘, der im ersten Teil angerufen wird, ist der ‚Geist der Liebe‘. Der zweite Teil gibt die Lösung des ‚Welträtsels‘, soweit Menschen in der Lage sind, dies darzustellen.“