Weill, Kurt
Komponist (1900-1950). Eigenh. Brief ohne Unterschrift, nennt sich jedoch im Schlußsatz den „Armen Kurt“. New York. Gr.-4to. 2 pp.
7.500 €
(91950)
Aus dem Exil an seine „süsse einzige Geliebte“ Erika Neher (1903-1962), die Frau seines Freundes, des Bühnenbildners Caspar Neher in Deutschland. - Weill war emigriert und hatte sich ein Jahr zuvor in New York niedergelassen: „[…] ich habe gestern drei Briefe von Dir bekommen u. habe einen langen Abend mit Dir u. Deinen Briefen verbracht u. so stark u. unausgesetzt an Dich gedacht, dass Du es unbedingt gemerkt haben musst […] du kannst dir denken, mein Engel, in welche schweren Gewissensqualen ich versetzt bin, weil ich jetzt, wo du mich so nötig brauchst, nicht bei dir sein kann.
Es ist schrecklich, dass du wieder diese Dinge mit C[aspar Neher] durchmachen musst. Mir ist es so vollkommen unbegreiflich […] dass er nicht spürt, was für einen unendlich wertvollen Menschen, wie er ihn nie wieder finden kann, er in dir hat, und wie schwer er dich mit diesen Dingen verletzen muss, die wahrscheinlich für ihn selbst garnicht so wichtig sind wie sie in der Auswirkung auf dich erscheinen müssen. Es ist doch masslos ungerecht, dass er glaubt, eine andere Frau könne ihm in seiner künstlerischen Entwicklung mehr helfen als du. Für mich steht es ausser Zweifel, dass er nie das geworden wäre, was er ist, wenn du ihm nicht durch deine Kontrolle, durch deine Kritik, durch deine gesunden Ideen gefördert hättest […] Er hat so falsche ungesunde, romantische Ideen, wenn er glaubt, dass ihn die reine Malerei mehr befriedigen wird als die Arbeit im Theater, wo er ein unerreichter Meister ist u. etwas leistet, was niemand vorher gemacht hat […] Der Kampf, den ich kämpfe, ist viel viel schwerer, aber ich weiss wenigstens, um was es geht, und ich weiss, ob ich durchkomme oder unterliege, ich habe vom künstlerischen und menschlichen Standpunkt aus getan was ich musste ... Ich spüre […] wie du mich brauchst und wie ich dir mit meiner tiefen starken Liebe helfen könnte. Aber dann sage ich mir wieder: wenn ich jetzt weg fahre, ohne meine Existenz gesichert zu haben, dann hast du ja noch eine Sorge mehr. Und wie schön wird es sein, wenn ich etwas erreicht habe […].“ - Kurt Weill und seine Frau Lotte Lenya hatten zahlreiche Affairen. „Ich glaube, wir sind das einzige Ehepaar ohne Probleme“, kommentierte Lotte Lenya und liess Kurt Weill sein „kleines Sexpony“ Erika Neher, die aber in Deutschand geblieben war. New York war für Weill und Lenya ein schwieriges Pflaster. Für seriöse Theater gab es in New York keinen Markt, und die Geldreserven waren bald aufgebraucht. Die berufliche Krise treibt die fragile Beziehung auseinander. Weill erneuert den Kontakt zu Erika Neher, mit der er schon in Deutschland ein Verhältnis hatte. Er schreibt ihr immer eindringlichere Briefe, bittet sie, zu ihm zu kommen. Doch die in Deutschland lebende Neher beendet abrupt die Beziehung. - Schwach gebräunt. Kleine Faltenrisse. - Eigenhändig und mit so schönem Inhalt sehr selten..