Eigenh. Brief mit U. ("Johann Heinrich").
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Schöner, langer Brief an Beethovens Vertraute Therese und Josephine Brunsvik. Die ungarischen Gräfinnen hatten soeben sechs Wochen bei Pestalozzi in seiner Anstalt in Yverdon verbracht, um Josephines sechs- und siebenjährige Söhne Franz und Karl dort einzuschulen. Vom Institut waren sie begeistert: "Sie versprachen [Pestalozzi] dabei Hilfe zu leisten, ihn in Wien und speziell der ungarischen Regierung zu empfehlen, damit er mit der Neuorganisation des ungarischen Erziehungswesens beauftragt werde" (Weisz, S. 201). Im November 1808 kehrten sie in Gesellschaft des jungen Luzerners Georg Sigrist (später Geistlicher in Horw) nach Ungarn zurück. Pestalozzis vorliegender Abschiedsbrief, aus dem auch die tiefe Berührung des Pädagogen spricht, erreichte die Heimreisenden in Zürich: "Edle verehrungswürdige Freundinen! Sie sind jez fort aber Sie waren da. Ihr Dasyn war kein Traum - seine Folgen werden bis an mein Grab wohlthetig auf mich wirken. Oft in meinem Leben hat sich mein Herz zu großen Hoffnungen - und zu einem großen Muth erhoben, aber nie in meinem Leben ist so vieles, das mein innerstes erhob, zusammengekommen, als in den Tagen ihres lieblichen Dasyns. Soviel es war, dieses alles, so verschwand es gleichsam in meiner Seele, vor dem Eindruk den Sie selber edle Freundinen! auf mich machten. Es mußte so seyn, es mußte in mir verschwinden. Was sind dem Mentschen alle äußere Mittel seiner Thätigkeit, wenn dieselben nicht durch andere von allem äußern unabhangende, innre selbstständige Mittel seiner Erhebung veredelt und gleichsam geheiliget werden? Freundinen! Ihr liebes Dasyn hat von dieser Seiten auf mich gewürkt - wäre auch das Werk meines Lebens, was es imer wollte - wäre auch meine Lage was sie immer syn könte, Ihr Dasyn hette mein innerstes gleich erhoben. Kunigunda! wenn ich die stille Kraft Ihres reinen sanften Syns vor meinen Augen sah, so dachte ich nicht bloß an meine Schwächen - ich erhob mich zum Muth u. zur Kraft auch selber zu syn was ich syn soll und fühlte mich samfter und liebender in meinen Umgebungen als sint langem. - Teresen wenn ich bym ersten Blik Ihres Muths und Ihrer Freiheit - Threnen für mein Streben in Ihrem Auge sah, und Ihr gutes Herz die Hoffnungen für mein Leben, weit über das Zihl des möglichen hinaus setzte, so dachte ich nicht bloß an die Mutlosigkeit so vieler meiner Lebensstunden und an das Schwankende so vieler meiner Entschlüße - ich dachte nicht bloß an das freundliche Nahen des lieben Todes und meine Pflicht nichts zu wünschen, was außer dem Kreis der Wahrscheinlichkeit meiner Lebenstage und meiner Kräfte syn möchte. Ich erhob mich in Ihrem Anblik zum Hungarschen Muth für meine gute Sache, und glaubte auf Ihr Wort hin selber das Zihl meines Lebens fehrner, als ich es mir bisher nicht ahndete und nicht einmal wünschte. - Edle Freundinnen, auch meine Armenanstalt haben Sie meinem Herzen wieder näher gerückt [...]". - Volltranskription beiliegend.