Neukomm, Sigismund Ritter von
Komponist, Pianist, Diplomat, Freimaurer und möglicherweise auch Spion (1778-1858). Eigenh. Brief mit Unterschrift. Bern. 8vo. 2 pp. Mit rotem Siegel u. Adresse.
1.800 €
(74840)
Schöner Brief auf seiner Reise durch die Schweiz geschrieben, an den Komponist und Violinist Andreas Johann Lorenz Oechsner (1815-1886) „Ihr Brief, lieber Herr Oechsner ist mir von hier nach Lausanne von wo ich gestern erst abgegang bin, gesendet worden und hat sich mit mir unterweges gekreutzt. Ich bedauere recht sehr Ihnen gegenwärtig nicht nützlich seyn zu können; ich erhalte so eben einen Brief von Hr. Schott der mir unter andern sagt daß von den 9 Künstlern die ich um Hr. Mesers Stelle beworben haben, Hr.
Mangold d.j. gewählt wird. Wir wollen hoffen daß sich in derfolge etwas für Sie […] finden werde. Ich, meinerseits, werde mit Vergnügen jede Gelegenheit ergreifen um Ihnen nützlich su seyn. Ich werde wahrscheinlich bis Ende d.M. hier bleiben, u. dann mich noch ein Paar 2 Wochen in Basel auffhalten hoffe aber später unsre lieben Freunde […], besuchen […]“ - Neukomm war das älteste Kind des Schullehrers David Neukomm und seiner Gattin Kordula, geb. Rieder. Der junge Neukomm konnte schon im Alter von vier Jahren fließend lesen und im Alter von fünf schreiben, der Vater sorgte für diese frühkindliche Ausbildung. Kurze Zeit später erhielt er Musikunterricht beim Salzburger Domorganisten Franz Xaver Weissager. Mit sechs Jahren soll er bereits Orgel gespielt haben, wobei Weissauer das Pedal bediente. Er übte sich aber auch auf Streich- und Blasinstrumenten. Unterricht in Harmonielehre erhielt Neukomm bei Michael Haydn, dessen Gattin Maria Magdalena mit Neukomms Mutter verwandt war. Mit 16 Jahren ernannte man ihn zum Titularorganisten an der Salzburger Universitätskirche und er verdiente sein eigenes Geld. Kurze Zeit danach arbeitete er als Korrepetitor am Theater. Im Alter von 19 Jahren, im März 1797 ging Neukomm nach Wien.
Auf Empfehlung Michael Haydns wurde Neukomm erst Schüler und dann enger Mitarbeiter Joseph Haydns. Haydn schätzte offenbar die musikalischen Fähigkeiten seines Schülers. Er vertraute Neukomm die Erstellung von Klavierauszügen seiner beiden Oratorien Die Schöpfung und Die Jahreszeiten an und Neukomm arbeitete auf Wunsch Haydns das Oratorium Il Ritorno di Tobia um und verfasste Arrangements von Schottischen Liedern für ihn. In den sieben Jahren in Wien, von 1797 bis 1804, erteilte Neukomm Klavier- und Gesangsunterricht. Seine bekanntesten Schüler waren Anna Milder-Hauptmann und Franz Xaver Wolfgang Mozart, genannt Wolfgang Amadeus der Jüngere.
Neukomm war ein großer Verehrer Mozarts. Quasi als Zugabe zu Mozarts Requiem vertonte er das Responsorium Libera me, das während der ggf. anschließenden Absolution gesungen wird und das in der üblicherweise gespielten Version von Mozart-Süßmayr natürlich fehlt, da es nicht zu den liturgischen Texten der Missa pro defunctis gehören muss. Neukomm stiftete Joseph Haydns Grabstein und versah diesen mit einem fünfstimmigen Rätselkanon auf Horazens zweideutige Worte non omnis moriar.
Neukomm war in vielen Ländern der Welt tätig. So war er zum Beispiel von 1804 bis 1808 Kapellmeister in Sankt Petersburg und von 1816 bis 1821 am Kaiserhof von Johann VI. in Rio de Janeiro, Brasilien. In Erinnerung daran wurde er 1945 Namenspatron des Stuhles Nr. 6 der Academia Brasileira de Música in Rio. Die meiste Zeit lebte er jedoch in Paris. In den 1820er Jahren bereiste er (außer Frankreich) Italien, die Schweiz, die Niederlande und Großbritannien.
Seine Werke erklangen zum feierlichen Einzug König Ludwig XVIII. in Paris nach dem Sieg über Napoléon, wie auch zur Gedächtnisfeier für den 1793 auf dem Schafott hingerichteten Ludwig XVI. während des Wiener Kongresses im Januar 1815. Zum Dank ernannte ihn der König von Frankreich zum Ritter der Ehrenlegion, ein Titel, auf den Neukomm stolz war und den er fortan auf die Titelblätter seiner Kompositionen drucken ließ.
Sein musikalisches Œuvre umfasst über 1300 Werke, darunter zehn Opern, drei Oratorien, geistliche Musik und Lieder in verschiedenen Sprachen. Sein großes Vorbild Mozart lernte er nie kennen, er war aber Cembalolehrer von dessen Sohn Carl Thomas Mozart. Neukomm orientierte sich in seiner Musik an der seiner Vorbilder, schaffte es aber trotzdem, innovativ zu sein..