Wie oberflächlich muß der deutsche Charakter der Stadt gewesen sein, wenn er sich in so kurzer Zeit völlig verwischen ließ! [...] Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß mich die gewohnheitsmäßige Schändung jüdischer Begräbnisstätten auf das schmerzlichste berührt. Das deutsche Strafgesetzbuch läßt für solche Untaten eine Höchststrafe von 3 Jahren Gefängnis, der neue Entwurf sogar eine solche von 5 Jahren zu. Sie sehen, daß das Gesetz Strenge gegen die Elenden ermöglicht, die die Ruhe der Toten stören. Im übrigen aber sage ich mir, wenn ich von einem neuen Akt des völkischen Vandalismus lese, immer wieder zum Troste: Können wir nicht stolz darauf sein, daß solches Gesindel uns mit Haß verfolgt? Und diese Betrachtung hilft mir über den Ekel hinweg [...]". - Der Adressat war als Rabbiner und Lehrer in Breslau tätig und leitete seit 1924 das dortige Gemeindearchiv. Zudem forschte er zur jüdischen Geschichte seiner Geburtsprovinz Posen, später zu der von Breslau. - Auf Briefpapier mit gedr. Briefkopf; etwas fleckig und lichtrandig und mit einem kleinen Einriß im Mittelfalz..