E. Brief mit U.
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Robert Koch (1843–1910), Bakteriologe und Nobelpreisträger. E. Brief mit U. („R. Koch“). Berlin, 22. Mai 1887. 8 SS. auf 4 (= 2 Doppel)Blatt. 8°. – Als Universitätsprofessor und Leiter des drei Jahre zuvor gegründeten „Hygienischen Instituts“ in Berlin an einen auswärtigen Kollegen über die gemeinsame Suche nach „Tuberkelbacillen“: „[...] Aus Ihrem [...] Schreiben ersehe ich, daß Sie die Arbeit für die Studirenden bestimmt haben, als Ergänzung für Ihr Werk über die Vaccination, wie ich mir denke. In Bezug hierauf möchte ich jedoch meinen, daß für die Studirenden ein ganz kurzer Auszug über das Vorkommen von Mikroorganismen in der Lymphe und deren muthmaßliche Bedeutung genügte, wenigstens würde ich an die bereits stark überlasteten Studirenden im Examen keine höheren Ansprüche stellen. In ihrer jetzigen Form scheint mir die Arbeit sich besser zur Veröffentlichung als Brochure oder in einer Zeitschrift zu eignen [...] In Bezug auf die Vaccine-Parasiten habe ich an Ihren gütigst hiergelassenen Präparaten noch zu keinem Resultat kommen können. Ich habe zwar manche von den in Ihren Abbildungen vertretenen Formen gesehen, konnte mich aber noch nicht davon überzeugen, daß es selbstständige Gebilde seien. Möglicherweise liegt dies daran, daß ich mich der Untersuchung nicht mit ungetheilter Aufmerksamkeit widmen konnte. C. Fraenkel [d. i. der Bakteriologe Carl Frankel, 1861–1915) beabsichtigt, sich mit dem Studium der Vaccine zu beschäftigen und da habe ich ihm das von Ihnen erhaltene Vaccine-Material übergeben, um es für seine Untersuchungen zu verwerthen. Auch die beiden Kästchen mit den hohlen Objektträgern habe ich ihm gegeben und anempfohlen, die Präparate ebenfalls noch einmal genau durchzusehen. Er wird mir alles Bemerkenswerthe zeigen und so hoffe ich noch allmälig alle Stadien des Parasiten zu Gesichte zu bekommen [...] Die Untersuchung des Daumens hat einige Schwierigkeiten bereitet und das ist auch der Grund dafür, daß mein Schreiben sich etwas verspätet hat. Ich hatte nämlich Dr Weisser, den ich mit der Untersuchung beauftragte, gebeten, den Zusammenhang der Theile möglichst zu schonen. Nun waren aber die oberflächlichen Hautpartien nicht besonders gut gehärtet, so daß es Weisser nicht gelang, gute Schnitte zu bekommen und in dem, was er erhielt, fand sich nichts von Riesenzellen oder Tuberkelbacillen. Ich entschloß mich dann, den Daumen weiter zu zerlegen und fand, daß das Gelenk mit einer bröcklichen weißen Masse, offenbar die Reste von käsigem durch die Alkoholwirkung geschrumpften Eiter gefüllt war; die Gelenkenden vom Knorpel entblößt, rauh; die Gelenkhöhle von einer weichen ziemlich dicken Membran ausgekleidet, der die bröckliche Masse zum größten Theil anhaftete. Diese Masse ließ ich zunächst untersuchen und es fanden sich in derselben Tuberkelbacillen in solcher Menge, wie ich es in Gelenken noch nie gesehen habe. Der Befund und das ganze Aussehen der kuriosen Gelenkhöhle erinnerte vielmehr an eine frische Lungenkaverne mit ihrem käsigen, bacillenreichen Inhalt. Es soll nun noch die Membran und die weitre Umgebung des Gelenks noch einmal gründlich untersucht werden, ob nicht doch irgend wo ein mehr dem chronischen Verlauf der Bacilleninfection entsprechendes Bild (epithelcoide [!] und Riesenzellen in Nestern) zu finden [ist]. Könnten Sie nicht die Geschichte dieser Infektion noch etwas eingehender geben: Art der Infection? gieng die Verletzung gleich bis ins Gelenk? wie kam es, daß eine Kehlkopfsaffektion das nächste Symptom war? Ist der Daumen von der Leiche abgeschnitten? Kam bei Lebzeiten aus dem Gelenk kein Eiter zum Vorschein? an dem Spirituspräparat schien die Infektionsstelle geschlossen u. vernarbt zu sein? Etwaige weitere Befunde und ein Präparat wird Weisser Ihnen demnächst zugehen lassen [...]“. – Mit kleinen Stecknadeldurchstichen am linken oberen Rand.