Brief m. e. U.
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Wilhelm Furtwängler (1886-1954), Dirigent. Brief m. e. U., Potsdam, 28. August 1941, 2 Seiten gr.-4°. Mit gedrucktem Namen. Inhaltsreicher Brief an den Schauspieler, Regisseur und Burgtheater-Direktor Lothar Müthel, in dem sich Furtwängler ausführlich mit den Ouvertüren-Varianten zu Beethovens „Fidelio“ auseinandersetzt. „[…] Zur Oper Fidelio, die 1814 umgearbeitet wurde, gehört die kleine Ouvertüre, und es ist zu vertreten, wenn man nur diese spielt und auf die Leonoren Ouvertüren gänzlich verzichtet […] Dass andererseits die Leonoren-Ouvertüren, d. h. entweder die 2. oder 3. irgendwie zum Fidelio-Komplex gehören, ist ersichtlich. Sie sind - musikalisch gesehen - eine besondere Verdichtung - eine Apotheose des Fidelio-Gedankens, auf die das Publikum mit Recht ungern verzichtet. Weingartner spielt die 2. Leonoren Ouvertüre am Anfang der Oper Fidelio, was aus obengenannten Gründen falsch ist. Der frühere Münchener Generaldirektor Zumpe spielt die große Leonoren-Ouvertüre am Schluss der Oper. Auch da tut sie noch ihre Wirkung […] Wie man es dreht und wendet - ist die von Mahler zuerst eingeführte Stellung nach der Kerker-Scene immer noch die relativ beste. Ich selber muss sagen, dass es in der ganzen Musikliteratur nichts gibt, was so erhebend und überwältigend wirkt wie diese Ouvertüre nach den grossen Aufregungen der Kerker-Scene. Der einzige Nachteil ist das Klatschen des Publikums nach dem Schuss der Ouvertüre, das mich jedes Mal gestört hat, weshalb ich auch bei einer meiner Einstudierungen des Werkes einmal die Ouvertüre gleichsam als Zwischenakts-Musik (unter Weglassung des Auftritts des Chores der letzten Scene) gespielt habe, sodass mit dem letzten Akkord der Vorhang aufging und der Minister anfing zu singen. Ich habe auch diese Lösung dann wieder fallen gelassen, da eine […] Pause nach der Ouvertüre tatsächlich für das Publikum nötig ist, um sich nach dem Gehörten zu fassen […] - Sehr schöner Brief, der als Schlüssel zu Furtwänglers „Fidelio“- Interpretationen gelten kann.