Hans von Bülow

Bülow, Hans von

Dirigent und Musiker (1830–1894). Eigenh. Brief mit Unterschrift. Erlangen. 8vo. 2 1/2 pp. In der Knickfalte gebrochen.
950 € (89534)

An einen namentlich nicht genannten Musikschüler von Friedrich Kiel (1821-1885): „Ihre verehrlichen Zeilen vom 7. d., welche mir hier her nachgesendet worden sind, verfehle ich nicht dahin zu beantworten, daß ich Eur. Wohlgeboren freundliches Anerbieten, mir eine Ihrer neuen grösseren Compositionen zueignen zu wollen, mit wahrem Vergnügen und aufrichtigem Danke annehme. Ich bin um so begieriger auf die Bekanntschaft Ihrer Sonate, als ich Ihrer ausserordentlichen Entwicklung als Componist stets mit lebhaft Interesse gefolgt bin und als ich Sie unbedingt für den würdigsten Schüler des hochgeehrten Meisters Kiel betrachte, dem ich freundlichst ersuche, meine ergebensten Grüsse übermitteln zu wollen.

Erlauben Sie mir bei dieser Gelegenheit eine kurze Expectoration. Die von unwissenden Zeitungsschreibern gebrauchten Stich- und Schlagwörter zur Bezeichnung musikalischer ,Partheien’ werden hoffentlich bei der zunnehmenden Kunstgeschmacks-Aufklärung des Publikums in Bälde allen Einfluß verloren haben. Im Grunde genommen gibt es nur zwei ,Partheien’, nämlich die Leute, die etwas könne (und etwas gelernt haben) und die Leute, die nichts können, nichts gelernt haben. Sie, geehrter Herr, haben sehr viel gelernt und können sehr viel. Aber ein andrer Gegensatz, der zur Bildung von musikalischen Partheien Anlaß gegeben hat, den meisten Parteigängern aber nicht zum Bewusstsein gekommen ist, wäre am einfachsten und populärsten zusammenzufassen in den: von ,kalter’ und ,warmer’ Musik. Hier wäre eine Vermittlung und Aussöhnung ebenso undenkbarere wie Ausgleichung zwischen Temperamenten, deren feindliches Begegnen wie durch die Macht gleicher Intelligenz sich verhüten läßt. Ich für meine Person bin ein entschiedener ,Anhänger’ der warmen Musik. In Ihren Erstlingswerken schienen Sie mir - vielleicht extrem - dem wärmlichen Prinzip zu huldigen. Ihre späteren Publicationen zeigen alle eine bewundernswerthe technische Reife, wie kunstgerechte Tactur - alleine ich habe mich meist davon angefröstelt gefühlt, wie mir dies auch bei vielen Werken Meister Kiel’s so ergangen ist. Eine natürliche Erklärung fand ich hierfür in der Vorstellung daß Sie im restlichen Eifer der Übung im energischen Wissensdrange und Ringen nach Können auch das zu Papiere brachten, bei dessen Entstehung das ,Herz’ nichts zu sagen gehabt hatte. ,Grosse Gedanken Kommen aber aus dem Herzen, nicht aus dem Kopfe’ sagt der alte Cervantes und hat speziell für die Musik damit das Richtige getroffen. (Vide Beethoven) Sie werden mich nicht so recht verstehen, daß Sie etwa annähmen, ich betonte hierdurch jenen trivialen Gegensatz zwischen ,Inspiration’ und ,Reflexion’, der insofern ganz absurd ist, wenn man behauptet, irgendein wirkliches Kunstwerk habe der einen oder andren Thätigkeit allein eine Existenz zu danken. […]“.

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Bülow, Hans von

Dirigent und Musiker (1830–1894). Eigenh. Brief mit Unterschrift. ohne Ort. 8vo. 1 p.
600 € (89535)

An einen Herrn Graf, dessen Einladung er leider nicht annehmen kann: „[…] Ich habe mich diese Tage über heiser gesprochen und so viel Musikanten und Juden gesehen, daß ich so nervös und zerstreut geworden bin, um fürchten zu müssen, morgen meinen Kopf nicht in Ordnung zu haben. Ich muß noch zwei Stunden Klavier üben, will dann an meine Frau schreiben, die noch Kind Zeit von mir hat und sich zeitig zur Ruhe begeben. Ausserdem wäre mir der Gedanke unerträglich, in Ihrer und Ihrer Frau Gemahlin liebenswürdigen Gesellschaft gar zu unliebenswürdig zu erscheinen, was ich durch 3 Tage Berlin schon wieder geworden bin.

Bei meiner Rückkehr am 14ten werde ich nicht ermangeln Ihre Frau Gemahlin persönlich die Verehrung auszudrücken, die ich ihr gütigst heute mit meinen Entschuldigungen zu melden bitte. […]“.

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Bülow, Hans von

Eigenh. Brief mit Unterschrift.
Autograph ist nicht mehr verfügbar

Schöner Brief an einen Musikdirektor über das Arrangement und die Bedenken Bülows für ein bevorstehendes Konzert in Halberstadt: „Die Probe vom Trio kann dann folglich vor sich gehen oder nach Tische verlegt werden, wie es Herrn Chr. Beck und seinem Herrn Collegen genehm sein wird. Die Stimmen brauche ich wohl nicht mitzubringen. Über meine Zeit bitte ich ganz zu disponiren: nur etwa anderthalb Stunden etwa müssten einer intimen Unterhaltung mit dem Steinway’schen Flügel reservirt bleiben. Ich schlage Ihnen vor, für Sie da privatin zu spielen, was Sie speziell interessiren könnte, dem Publikum aber nur das zu hören zu geben, was es verstehen resp. vertragen kann. In diesem Sinne möchte ich bitte, das Programm einrichten zu wollen. Da Sie mir nicht mittheilen, welche Zwischennummern gesanglichen oder anderweitig instrumentalen Genres hinzukommen so ist es mir schwer die Reihenfolge festzustellen. Der folgende sehr ungefähre Entwurd bleibe daher Ihren etwaigen Modificationen ganz überlassen. [Es folgt das Programm mit Beethoven, Bach, Chopin, Liszt, Mozart, Raff und Bülow]. Eben wiedergeschrieben fängt mir die Sache an zu misfallen. Das Publikum wird Bravousaussprüche erheben und die werden nun im ersten Theile gar nicht zur Befriedigung kommen. Besser vielleicht, im Stil etwas mehr zu wechseln. Also setzten wir auf No 2. Hochzeitsmarsch und Elfenreigen aus Mendelssohns Sommernachtstraum - Conzertparaphrase von Liszt. [es folgt die Wiedergabe des Programms] Sie haben keine Vorstellung, verehrter Herr, wie unsicher und timide, nicht wissend, wo und wie ich bei Zusammenstellung grösserer Programme für ein mir fremdes Publikum bin. Haben Sie die Güte nachzuhelfen, mit hauptsächl und alleiniger Rücksichtnahme auf die Geschmacksgewohnheiten Ihres Publikums, das ich, sobald es sich nicht um Vorliebe für schlechte Musik und rezensentiger Voreingenommenheit gegen gutes Neue handelt, stets bereitwillig respectire. […] Ich habe das Programm deshalb mit Stücken überfüllt, damit Sie nöthigenfalls nur zu streichen hätten. […]“ - Von 1880 bis 1885 war Hans von Bülow Musikintendant des überaus Kunst und Kultur verehrenden und pflegenden Herzogs von Meiningen sowie Leiter des Meininger Hoforchesters. Dies waren künstlerisch erfreulich Jahre. Dieser Brief zeugt von der Reisetätigkeit des Dirigenten, der hier seinen Adressaten bittet, ein Hotelzimmer in Frankfurt am Main für den kommenden Freitag auf halb acht Uhr reservieren. Gustav Mahler sollte noch eine bedeutende Rolle in der Geschichte Hans von Bülows einnehmen. Bülow war interessiert an der Arbeit junger Künstler. Dagegen sei Wagners „Tristan und Isolde“ eine Haydn-Sinfonie, unkte von Bülow, nachdem er den ersten Entwurf zu Gustav Mahlers Zweiter Sinfonie am Klavier gehört hatte. Die Vollendung dieses Werkes sollte er aber nicht mehr erleben. Erst auf Bülows Begräbnis kam dem jungen Mahler in Hamburg die Idee zur Vollendung dieser seiner „Auferstehungssinfonie“: „Wie ein Blitz traf mich dies und alles stand ganz klar und deutlich vor meiner Seele.“ Von Bülow starb 1893 und die Hamburger nahmen zweimal Abschied von ihm: In einer siebenstündigen Trauerfeier im Hamburger „Michel“, arrangiert von Pollini, musikalisch an der Orgel gestaltet von Gustav Mahler. Und anschließend im Krematorium an der Alsterdorfer Straße. Am Harmonium: Gustav Mahler. Bülow war als Pianist und Dirigent gleichermaßen berühmt. Er kann als erster der Stardirigenten moderner Prägung bezeichnet werden; es gelang ihm, sowohl durch sein musikalisches Können als auch durch Sinn für publikumswirksames Auftreten einen Nimbus zu erwerben, der dem Starvirtuosentum eines Niccolò Paganini oder Franz Liszt nahekam.