Eigenh. Brief mit Unterschrift.
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Schöner Brief an einen Musikdirektor über das Arrangement und die Bedenken Bülows für ein bevorstehendes Konzert in Halberstadt: „Die Probe vom Trio kann dann folglich vor sich gehen oder nach Tische verlegt werden, wie es Herrn Chr. Beck und seinem Herrn Collegen genehm sein wird. Die Stimmen brauche ich wohl nicht mitzubringen. Über meine Zeit bitte ich ganz zu disponiren: nur etwa anderthalb Stunden etwa müssten einer intimen Unterhaltung mit dem Steinway’schen Flügel reservirt bleiben. Ich schlage Ihnen vor, für Sie da privatin zu spielen, was Sie speziell interessiren könnte, dem Publikum aber nur das zu hören zu geben, was es verstehen resp. vertragen kann. In diesem Sinne möchte ich bitte, das Programm einrichten zu wollen. Da Sie mir nicht mittheilen, welche Zwischennummern gesanglichen oder anderweitig instrumentalen Genres hinzukommen so ist es mir schwer die Reihenfolge festzustellen. Der folgende sehr ungefähre Entwurd bleibe daher Ihren etwaigen Modificationen ganz überlassen. [Es folgt das Programm mit Beethoven, Bach, Chopin, Liszt, Mozart, Raff und Bülow]. Eben wiedergeschrieben fängt mir die Sache an zu misfallen. Das Publikum wird Bravousaussprüche erheben und die werden nun im ersten Theile gar nicht zur Befriedigung kommen. Besser vielleicht, im Stil etwas mehr zu wechseln. Also setzten wir auf No 2. Hochzeitsmarsch und Elfenreigen aus Mendelssohns Sommernachtstraum - Conzertparaphrase von Liszt. [es folgt die Wiedergabe des Programms]
Sie haben keine Vorstellung, verehrter Herr, wie unsicher und timide, nicht wissend, wo und wie ich bei Zusammenstellung grösserer Programme für ein mir fremdes Publikum bin. Haben Sie die Güte nachzuhelfen, mit hauptsächl und alleiniger Rücksichtnahme auf die Geschmacksgewohnheiten Ihres Publikums, das ich, sobald es sich nicht um Vorliebe für schlechte Musik und rezensentiger Voreingenommenheit gegen gutes Neue handelt, stets bereitwillig respectire. […] Ich habe das Programm deshalb mit Stücken überfüllt, damit Sie nöthigenfalls nur zu streichen hätten. […]“ - Von 1880 bis 1885 war Hans von Bülow Musikintendant des überaus Kunst und Kultur verehrenden und pflegenden Herzogs von Meiningen sowie Leiter des Meininger Hoforchesters. Dies waren künstlerisch erfreulich Jahre. Dieser Brief zeugt von der Reisetätigkeit des Dirigenten, der hier seinen Adressaten bittet, ein Hotelzimmer in Frankfurt am Main für den kommenden Freitag auf halb acht Uhr reservieren. Gustav Mahler sollte noch eine bedeutende Rolle in der Geschichte Hans von Bülows einnehmen. Bülow war interessiert an der Arbeit junger Künstler. Dagegen sei Wagners „Tristan und Isolde“ eine Haydn-Sinfonie, unkte von Bülow, nachdem er den ersten Entwurf zu Gustav Mahlers Zweiter Sinfonie am Klavier gehört hatte. Die Vollendung dieses Werkes sollte er aber nicht mehr erleben. Erst auf Bülows Begräbnis kam dem jungen Mahler in Hamburg die Idee zur Vollendung dieser seiner „Auferstehungssinfonie“: „Wie ein Blitz traf mich dies und alles stand ganz klar und deutlich vor meiner Seele.“ Von Bülow starb 1893 und die Hamburger nahmen zweimal Abschied von ihm: In einer siebenstündigen Trauerfeier im Hamburger „Michel“, arrangiert von Pollini, musikalisch an der Orgel gestaltet von Gustav Mahler. Und anschließend im Krematorium an der Alsterdorfer Straße. Am Harmonium: Gustav Mahler. Bülow war als Pianist und Dirigent gleichermaßen berühmt. Er kann als erster der Stardirigenten moderner Prägung bezeichnet werden; es gelang ihm, sowohl durch sein musikalisches Können als auch durch Sinn für publikumswirksames Auftreten einen Nimbus zu erwerben, der dem Starvirtuosentum eines Niccolò Paganini oder Franz Liszt nahekam.