Eigenh. Musikmanuskript.
Autograph ist nicht mehr verfügbar
Doppelblatt mit ersten Skizzen zum 2. Satz der unvollendeten 9. Symphonie, d-Moll, am Kopf bezeichnet „Scherzo“.
Es handelt sich vermutlich um eine Verlaufskizze zu Takt 1-88n, notiert auf drei Systemen, mit den für Bruckners Kompositionsweise typischen Taktzahlen für jede einzelne Achttakt-Periode (in der Regel 1-8, gelegentlich auch darüber hinausgehend). Einzelne Motivwiederholungen sind immer wieder deutlich erkennbar, entsprechen aber in Tonhöhen und harmonischer Struktur nicht immer der Endfassung. So erscheint auch die Legato-Achtelfigur Takt 65ff. (Buchstabe B) hier in anderer Gestalt. was in der Notation als Variante einzelner Takte gedacht war oder Teil des noch nicht endgültig fixierten Satzverlaufs ist, erscheint aufgrund der Korrekturen und Streichungen nicht immer klar.
Das besondere Interesse Bruckners galt hier offenbar der harmonischen Struktur und dem spezifischen Anfangsakkord, der satzbestimmen ist: erkennbar an den Notationen des Akkords in Transposition mit Tonbuchstaben, wie h-dis-f-gis und g-h-des-e auf Blatt 1, ähnlich auch auf den weiteren Blättern. Auch wenn die Struktur dieses Akkords auf den berühmten „Tristan-Akkord“ zurückgeht, weist seine Bedeutung für die Harmonik dieses Satzes weit ins 20. Jahrhundert.
Es handelt sich um die erste Skizze zum Scherzo, die noch vor der am selben Tag niedergeschriebenen Skizze notiert ist, die heute in der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt wird (Mus. Hs. 3196); diese heute als zweite Skizze einzustufenden Blätter sind faksimiliert und übertragen im Ergänzungsband zu Band 9/2. Satz der Bruckner-Gesamtausgabe, hrsg. von B. G. Cohrs, Wien 1998. Da die vorliegende erste Skizze dort nicht erwähnt wirde, sind diese Blätter in der Forschung bisher unbekannt geblieben. Namenseintrag auf S. 1 oben links: Ferdinand Löwe (1865-1925), Schüler Bruckners, dirigierte die Uraufführung der 9. Symphonie (in einer umgearbeiteten Fassung) am 11. Februar 1903 durch das Wiener Concertvereinsorchester (die späteren Wiener Philharmoniker) mit großen Erfolg.
So bedeutende Manuskripte Bruckers sind im Handel von größter Seltenheit.
Literatur:
Anton Bruckner. Sämtliche Werke: ix ('Studienpartitur 2., revidierte Ausgabe'), ed. Leopold Nowak (1951); ix ('2. Satz...Scherzo und Trio: Entwürfe'), ed. Benjamin Gunnar Cohrs (1998); ix ('Finale'), ed. John A. Phillips (1996); ix ('1. Satz - Scherzo & Trio - Adagio'), ed. Benjamin Gunnar Cohrs (2001)
Provenienz:
J.A. Stargardt, Berlin, Catalogue 700 (2014), lot 665