Born, Max
Physiker, Nobelpreisträger; förderte die Relativitätstheorie, die Quanten- mechanik und die Theorie der Kristalle, Schöpfer der Wellenmechanik (1882-1970). Eigenh. Brief mit Unterschrift. Bad Pyrmont. 8vo. 6 pp. Zwei minimale Wasserflecken. Mit Umschlag.
9.800 €
(74627)
Großer Brief an den Physiker James Franck in Chicago, der gerade mit der Rumford-Medaille ausgezeichnet worden war. Ausführlich über die Berliner Einstein-Feiern, die im März anlässlich von 50 Jahren Relativitätstheorie stattgefunden hatten.
„[…] Es ist schön, daß Deine großen Arbeiten über Photosynthese Anerkennung gefunden. Ich habe den Eindruck gewonnen […] daß Warburg’s Stern sinkt und Deiner steigt. […] Von uns ist zu erzählen, daß nach Weihnachten die Nachwirkungen aller Aufregungen dieses Jahres (Verlassen unseres Edinburgher Hauses, Übersiedelung nach Deutschland, Bau unseres neuen Hauses, Einzug, Oxforder Doctor, Nobelpreis und Reise nach Stockholm) bei Hedi“ (Borns Ehefrau) „einen Zusammenbruch verursachten“
„Berlin ist ein absolut verrückter Ort; diese idiotische Grenze mitten durch die Stadt […] Es handelte sich um zwei kombinierte Einsteinfeiern der beiden Phys.
Gesellschaften: Im Westen sprach ich, in der Techn. Univ unter v. Laue als Vorsitzendem, über ‘Einstein und das Lichtquant’. Im Osten sprach mein früherer Mitarbeiter Infeld aus Polen über ‘Relativität’, wobei Gustav Hertz den Vorsitz führte. Er ist gänzlich unverändert […] Durch sonderbaren Zufall trafen wir uns bei der Hinreise auf der Autobahn nahe von Berlin. (Ich saß in einem riesigen russischen Auto mit dem Sekretär der Ost-d. Phys. Ges., der mich in Pyrmont abgeholt hatte – die Ostleute lieben solche großartigen Gesten). So hatte ich Gelegenheit mit Hertz neben der Straße auf- und ab zu gehen und ein paar vertrauliche Worte zu wechseln. Er sagte sofort: ‘Was ich öffentlich sage, hat nichts zu tun mit dem, was ich denke. Z.B. ich sage, daß ich nicht nach dem Westen gehen mag, weil ich die Zustände dort verabscheue. In Wahrheit gehe ich nicht, weil ich dadurch mich in Verdacht bringen und die Rückkehr vieler, noch in Russland zurückgehaltener Physiker gefährden würde’. – Bei beiden Sitzungen kam die andere Seite zu Besuch. Es waren viele Russen (Fock, Alexandrow u. a.), Polen (Loria u. a.) Rumänen etc. da, meist Schüler von mir, und es herrschte ein freundlicher Ton […] Dann hatte ich auch lange Besprechungen mit Otto Hahn. An diesen habe ich mich sehr angeschlossen. Er ist ein so liebenswürdiger, bezaubernder Mensch, und wir stimmten so gut zusammen, besonders in politischen Dingen, die ja heute die Physik leider angehen – timeo Americanos et dona ferentes ...
Ich habe genug zu tun. Unter anderm schreibe ich eine Arbeit mit meinem Assistenten […] über ‘Klassische Statistische Dynamik’. Ich habe mich überzeugt, daß die Behauptung, die klassische Mechanik sei deterministisch, physikalisch ebenso sinnlos ist, wie etwa in der Relativitätstheorie die absolute Gleichzeitigkeit. Man kann nun die Theorie auch statistisch entwickeln, und dann ergibt sich ein interessantes Resultat: Wenn I, w die von Bohr (1920–23) gebrauchten Wirkungs- und Winkelvariable sind, so ist [es folgt die Formel] (für eine initiale Gauss-Verteilung; sonst [es folgt Formel]); es gilt also ein Unbestimmtheitssatz genau wie in der Quantenmechanik, nur daß dieses Product einen beliebigen, von der Anfangsgenauigkeit abhängigen Wert hat, während in der Quantentheorie dieser Wert xiert ist, Mir scheint das recht amüsant zu sein […]“
Er bittet schließlich um eine „Kopie des sog. ‘Franck-Reports’ […] Diese Sachen sind jetzt hier aktuell“ (Franck warnte in dieser 1945 erschienenen, berühmten Eingabe vor den politischen und wirtschaftlichen Folgen des Einsatzes von Atombomben)..