Wie schön wäre es gewesen, wenn Freund Otto diese Tour mitgemacht hätte […] Meinen herzlichen Dank für die treffliche […] Anatomie und das Programm […]“ – II. Tiedemann entschuldigt sich für die verspätete Antwort der Briefe. Aber ein schwerer Schicksalsschlag habe ihn getroffen: „[…] Du mußt mich entschuldigen, wenn ich Dir sage, daß ich sechs Monate lang einen an Blutspeien und Lungen Vereiterung leidenden Sohn hatte, deßen Krankenlager mich sehr niedergebeugt hat. Es ist ein schweres Loos für Eltern, erwachsene Kinder zu verlieren, die gut gerathen sind und viele Hoffnung geben. Vor einigen Wochen ist er verschieden. Möge Dir geschieden seyn, ein etwas ähnliches zu erleben! Seit wir in Hamburg so frohe Tage verlebten, habe ich zwei erwachsende Kinder, einen Sohn und eine Tochter verloren, gleich gut und ausgezeichnet. So etwas beugt den frohen Muth im Leben! […] Richte es so ein, daß Du über hier nach Stuttgardt gehst. Vielleicht gehe ich dann mit Dir dorthin. Bis jetzt habe ich noch keinen Entschluß gefaßt. Ich erwarte in dieser Woche meinen Schiegersohn Fohmann mit Tochter und Enkelsohn mit nach Stuttgardt, und wir können so wieder eine frohe und vergnügte Reise zusammen machen. Auf jeden Fall aber mußt Du […] einige Tage hier zubringen, wenn Dein Sohn durch Besuch der Mineralien Sammlung Lionhards Nutzen und Vergnügen haben wird […] Gegenwärtig wird das zweite Heft des fünften Bands der Zeitschrift gedruckt, und das dritte Heft soll auch noch […] erscheinen […]“– Aus der Sammlung Ammann. – Tiedemann wurde 1804 promoviert. Zu vertiefenden anatomischen, zoologischen und physiologischen Studien hielt er sich in Paris auf. Seit 1805 war er Prof. an der Univ. Landshut, 1816-49 an der Univ. Heidelberg. Danach lebte er in Frankfurt/Main und seit 1856 in München. Seit 1828 war T. Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, seit 1851 des Ordens Pour le mérite für Wissenschaften und Künste. Er veröffentlichte u.a. „Die Verdauung nach Versuchen“ und „Tabulae arterarium corporis humanae“. In der Schrift „Das Hirn des Negers mit dem des Europäers und Orang-Outangs verglichen“ führte er den Schluß von der hirnphysiologischen Egalität der Rassen..