Musil, Robert
Schriftsteller (1880-1942). Eigenh. Brief mit Unterschrift. Wien. Gr.-4to. 2 pp.
$ 7,438 / 6.800 €
(91199)
An den Schriftsteller Franz Blei: „Sie haben recht, was mich schweigen ließ, pessimistisch zu beurteilen; ich hätte Ihnen nur erzählen können, daß ich von Rowohlt seit einem Jahr nicht einen Pfennig gesehen habe und daß eine kleine R. M.-Gesellschaft, deren Wunsch es war, mein Buch vollendet und mich bei einem besseren Verleger zu sehen, durch den geistigen Aufschwung Deutschlands in ihren Mittel so geschwächt wurde, daß sie sich verlief und mich mit einem kleinen Betrag zurückließ, dessen letzter Rest gerade jetzt zerschmilzt.
Nichtrauchen als Folge übermäßigen Blutdrucks, dieser Folge aller Aufregungen; und da die Galle auch eine prompte Reaktion auf Aufregungen hat, bin ich ein Bündel seelischer und körperlicher Trauerschleier. Erst seit einigen Tagen ist eine Rettungsaktion im Gange; in ihren Ursprüngen rührend, da sie von Menschen ausgeht, die ich nur oberflächlich kannte und die selbst gar nicht im Überfluß sitzen, und vielleicht auch aussichtsvoll, da sie mit Eifer betrieben wird. Aber es ist noch verfrüht, über den endgültigen Erfolg zu urteilen, zumal da ich ja im Augenblick ganz von ihm abhänge, denn im heutigen Deutschland ist weder ein Verleger zu finden, der das geringste riskiert, noch kann ich mit Aufsätzen nachhelfen. Was ich sagen müßte, läßt sich noch nicht sagen, und anders treffe ichs nicht.
Daß Sie Rowohlts Einschickung nicht unterschrieben haben, war sehr gut; ich habe es auch nicht getan und viele andere auch nicht, aus den Gründen, die Sie anführen. Es wird auch kaum persönliche Folgen haben, denn es sind von Verband zu Verband Verhandlungen im Gange, und da die Schweizer schon ausgenommen sind, wird man es den Österreichern nicht gut verweigern können. Rowohlts Mitteilung, man müsse, war ein Bluff, andere Verleger sind nicht so weit gegangen. Da aber viele Österreicher freiwillig beigetreten sind, ist es möglich, daß Sie in einzelnen Fällen mit Beiträgen auf Schwierigkeiten stoßen könnten, doch glaube ich es nicht, denn wenigstens nach meinen letzten Nachrichten, will man die Divergenzen nicht vergrößern.
Ich habe, was sich leicht verstehen läßt, in den letzten Wochen nicht allzu glücklich gearbeitet, aber immerhin schiebt sich die Sache entwärts, und ich hoffe, noch in diesem Jahre etwas Neues beginnen zu können; was ja freilich wie der Fleiß eines Bohrwurms ist in einem Bilderrahmen in einem Haus, das schon brennt.
Ihr kontrastierender Mangel an Arbeitswille scheint aber auch nicht ganz das rechte zu sein? Abgeschnitten vom Markt und von den literarischen Reizungen, sollten sie eigentlich zu Gottes Füßen sitzen und seine Worte aufschreiben. Oder stehen Eden-Girls dazwischen?“ - Von Robert Musil geschrieben und unterschrieben. Gleichzeitig von Martha Musil unterschrieben..