Bürger, Gottfried August
Schriftsteller (1747-1794). Eigenh. Brief mit U. „Bürger“. Göttingen. Kl.-4to. 4 pp. Leicht gebräunt und fleckig. Läsuren in der Bugfalte und an den Rändern, rechter Rand des ersten Blattes alt hinterlegt.
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Inhaltsreicher Brief an (seinen Schwager Gotthelf Friedrich Oesfeld, Ehemann seiner Schwester Henriette Philippine), bei dem er sich für sein langes briefliches Schweigen entschuldigt. – Zu Beginn des Jahres war seine zweite Frau Augusta („Molly“), eine Schwester seiner ersten Frau Dorothea („Dorette“) Leonhart, nach der Geburt eines Kindes gestorben. Die drei hatten zuvor jahrelang in einer ménage à trois gelebt.
„[…] Alle Ihre Briefe, auch die mit Geld und Nahmenverzeichnissen, habe ich richtig erhalten.
Möchten Sie doch nun auch nur erst die Gedichte haben! Sieben und zwanzig Bogen sind längst abgedruckt gewesen; allein nun hält mich theils der Kupferstecher, theils meine träge Muse selbst noch auf, verschiedenen Stücken, die ich doch gleichwohl noch gern in die Sammlung haben möchte, die letzte Hand anzulegen.
Es will mit meiner Poeterey gar nicht recht mehr fort, seitdem ich aus den fruchtbaren Gefilden der sinnlichen Erkänntniß an den steilen Gebirgen der Speculation hinanzuklettern angefangen habe. Indessen, um doch nicht mit ganz leerer Hand vor Ihnen zu erscheinen, schließe ich meinen künftigjährigen MusenAlm[anach] mit an, in welchem Sie aber anstatt des Honigseims aus der blauen Blume des Parnasses nur einige kleine Gift Extracte von mir antreffen werden ...
... ich habe mich ... diesen Sommer über ziemlich wohl befunden. Mein Engagement bey meinem jungen Britten ist ganz angenehm und einträglich ... Mein Eleve ist ein gutmüthiger Knabe, den aber die Lust viel zu lernen eben sehr nicht plagt. Das Beste ist, daß ein junger Herr, dessen Vater ein 12 000 L. Sterling jährlicher Revenüen hat, eben nicht viel zu lernen nöthig hat ...
Es ginge mir in der Tat jezt gar nicht übel, wenn nur mein armes Herz durch seinen unvergeßlichen Verlust nicht gar zu sehr bankrot gespielt hätte. Recht von Herzens Grunde kann ich mich nicht mehr freüen; es fehlt mir etwas, was mir nun auch wohl mangeln wird bis ans Grab. Ich stehe da wie ein kahler, nackter Stamm. Meine Zweige sind mir abgehauen und der Sturm hat sie weit umher zerstreüt. Ich kann schwerlich wieder ausschlagen, die Witterung mag auch übrigens noch so mild seyn.
Meine Alte und alle Ihre lieben Kinder umarme ich von Herzen. Sie haben ja nun wohl nachgerade eine große Tochter, die heürathen könnte. Heürathen könnte ich ja allenfalls auch wohl wieder, nur aber leider nicht mehr – lieben. Das müssen Sie ja nicht laut werden lassen, wenn Sie irgend wo noch einmal mein Freywerber werden wollen. Denn ich heürathe nicht anders wieder, als aus leidigem zeitlichen Interesse ...“
Briefwechsel Band III Nr. 1068 („verschollen“)..