Brief m. e. U.
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Gottfried Benn (1886-1956), Schriftsteller u. Arzt. Brief m. e. Datum u. U., Berlin, 16. Juli 1949, 2 ½ Seiten 8°. Auf 3 Blättern. Gestempelter Absender. Mit zahlreichen e. Korrekturen. An seine alte Freundin, die Graphikerin und Schriftstellerin Erna Pinner, die 1935 nach England emigriert war und im Herbst 1946 wieder Kontakt zu Benn aufgenommen hatte. Dieser sendet er Glückwünsche zur ihrem Buch „Generous Creatures“: „[…] Grossartig, wie du dich und deine Talente unentwegt durchsetzt […] ich sehe kommen, dass ich noch englisch lernen werde, ich hatte es oft vor, um Conrad und Morgan im Original lesen zu können, - nun also, um E. P. studieren zu können. Diese Kuriositäten des Tierreichs sind so interessant, weil sie so sehr die Spielereien und Entwürfe der Natur, die sie dann wieder liegen lässt oder wenigstens nicht in breiten Reihen weiterführt, hat mich immer besonders interessiert. Aus deinem […] Brief freute ich mich zu entnehmen, dass du die alten italienischen Stätten wieder aufgesucht hattest; und was du darüber schriebst passt zu dem, was man auch von anderer Seite über dies seltsame Land und seine politischen Verhältnisse hört, nämlich diese für Deutsche unbegreifliche Largeheit und Stabilität des Nationalen und Gesellschaftlichen, in der sich eigentlich nichts verändert, während wir immerzu umstürzen müssen und angeblich von vorne beginnen (allerdings mit dem Resultat, dass es zu Nichts kommt) […] Ich würde dir gerne neue Bücher von mir schicken, wenn du nicht schriebest, du wolltest die deutsche Sprache nicht sehr an dich heran lassen, was ich durchaus verstehe. Aber einen Essayband schicke ich dir vielleicht doch: ‚Ausdruckswelt’, der jetzt erschienen ist. Im Ganzen sind vier neue Bücher von mir erschienen, ein 5. folgt in den nächsten Wochen, und sie haben einen geradezu überraschenden Erfolg nach der geistigen Seite hin. Du hast ja an den 3 Alten Männern gesehn, dass ich meiner radikalen Sprach- und Gedankenrichtung treu geblieben bin und ich bin wohl der Einzige in Deutschland, der den Mut (und infolge seiner Praxis, der ärztlichen) die Möglichkeit hat, den Dingen so ins Auge zu sehn, wie sie sind, so erbarmungslos, so nihilistisch und doch nicht ganz hoffnungslos. Auffallend ist, dass ich in der Schweiz […] eine ganz erstaunliche Presse habe […] Auch […] West- und Süddeutschland, Presse und Radio, sind sehr aktiv in dem Eintreten für mich (Berlin ist nicht mein Freund, da ich weder Kommunist, noch reiner Sozialist bin und die geschichtlich-politische Welt aufs erbittertste angreife in den neuen Büchern […] Ausserdem bin ich sehr menschenablehnend, gehe nirgends hin, gebe nicht an, unterschreibe und erkläre nichts mehr, lebe für mich […]“